Hochwasserschutz in Dachau:Die "Alte Liebe" muss es ausbaden

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Die Amper fließt oft ruhig dahin. Doch sie kann auch zum reißenden Fluss werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Wasserwirtschaftsamt macht sich schon lange Gedanken, wie die Holzgartensiedlung und die Gebäude im Lus bei Dachau besser vor einem Hochwasser der Amper geschützt werden können. Jetzt haben Vertreter der Behörde eine Lösung präsentiert, die wohl praktikabel wäre. Aber auch sie hat einen Haken.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Es hätten ruhige Feiertage werden können. Doch am Freitag vor Pfingsten des Jahres 1999 zeichnete sich ab, dass diese Ferien buchstäblich ins Wasser fallen würden. Heftige Regenfälle in den Alpen ließen damals Flusspegel sprunghaft ansteigen, Dämme brachen, Schlamm, Geröll und Wassermassen wurden ins Oberland und auch in die Amper gespült. Deren Pegel stieg bis Pfingstmontag in Ampermoching auf mehr als vier Meter an - normal waren damals zwei Meter. In Dachau ging der kleine Ascherbach so weit über die Ufer, dass die Feuerwehr eine ganze Siedlung in Dachau Süd mit Sandsäcken sichern und reihenweise Keller auspumpen musste. "Wir hatten Angst, dass uns das alles absäuft", sagte Ludwig Holze, damals Pressesprecher der Dachauer Feuerwehr. Der Ascherbach wurde nach dem Pfingsthochwasser neu befestigt und mit neuen Schutzvorkehrungen gegen eine erneute Überflutung versehen.

23 Jahre sind seit dem Pfingsthochwasser 1999 vergangen. Um die bei einem Hochwasser besonders gefährdeten Teile Dachaus - die Holzgartensiedlung und Im Lus - besser vor solch extremen Ereignissen wie 1999 zu schützen, plant das Wasserwirtschaftsamt München seit 2021 bauliche Maßnahmen an der Amper. Jetzt haben Vertreter der Behörde den Stadträten und etwa 20 Besuchern im Umwelt- und Verkehrsausschuss drei verschiedene Varianten für einen Hochwasserschutz in dem betroffenen Bereich vorgestellt und auch gleich eine klare Empfehlung abgegeben für die Variante mit der Bezeichnung "B.2 Deich Alte Liebe".

Mobiler Hochwasserschutz für das Restaurant "Alte Liebe"

Das Wasserwirtschaftsamt München hatte seinen Planungen die Annahme eines Hochwasserereignisses zugrunde gelegt, das rechnerisch einmal in hundert Jahren vorkommt. Bei einem solchen Hochwasser würde das Wasser der Amper südlich von Günding rechtsseitig überlaufen und die Ebene überschwemmen. Die Gebäude im Lus südlich von Mitterndorf, das Restaurant "Alte Liebe" und Flächen im Holzgarten wären betroffen. Dies gelte es, mit gleichzeitig effektiven sowie umweltverträglichen Hochwasserschutzmaßnahmen zu vermeiden, so die Stadt Dachau. "Ziel der Planungen ist die Errichtung eines Damms, der zusätzliche Retentionsfläche schafft und das Wasser zurück in die Amper leitet, bevor es die Stadt erreicht."

Bei der Vorzugsvariante "Alte Liebe" will das Wasserwirtschaftsamt den bestehenden Amper-Damm über eine Länge von 345 Metern abtragen. Ein neuer Deich würde westlich des Himmelreichwegs beginnen, südöstlich am Auwald vorbeiführen und nach rund 1000 Metern an den bestehenden Stauhaltungsdamm der Amper anschließen. Er würde genau an der Grenze zum bestehenden FFH-Gebiet des Ampertals entlang laufen und damit nur geringfügig in ökologisch wertvolle Flächen eingreifen. Mit der Variante "Alte Liebe" würde man laut Planern einen vollständigen Hochwasserschutz für die bewohnten Gebiete erreichen. Der Nachteil: "Das Wirtshaus 'Alte Liebe' ist als einziges Gebäude nicht vor Hochwasser geschützt. Um die Eigentümer nicht zu benachteiligen, ist hier ein Objektschutz vorgesehen", so das Wasserwirtschaftsamt.

Die Kosten: rund 2,3 Millionen Euro

Die Planer schlagen eine "Mobile-Elemente-Lösung" vor, um die "Alte Liebe" im Notfall zu schützen. Demnach soll der Bauhof oder die Feuerwehr bei drohendem Hochwasser schnell eine Mauer, bestehend aus mehreren mobilen Elementen, um das Restaurant herum und auf bestehenden Schotterflächen bauen. Diese Mauer soll dann wieder abgebaut werden, sobald sich das Wasser zurückgezogen hat. "Wie der Schutz genau aussehen wird, ist noch nicht im Detail zu sagen", erklärte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) in der Sitzung. Als "maximale Vorlaufzeit", um den Schutz aufzubauen, nannte Hartmann 48 Stunden. Das sei machbar, da im Hochwasserfall zuerst das Wasser des Ammersees zurückgehalten werde. Das Aufstellen müssten die Einsatzkräfte von Feuerwehr oder Bauhof dann regelmäßig proben. Die Kosten für diese Variante schätzt das Wasserwirtschaftsamt auf rund 2,3 Millionen Euro. Davon müsste die Stadt selbst die Hälfte bezahlen.

Die beiden anderen untersuchten Varianten scheiden faktisch aus, da sie nach Angaben der Stadtverwaltung "rechtlich nicht umsetzbar" sind. Bei der Variante "Holzgarten" würde der neue Deich direkt westlich der Holzgarten-Siedlung entlang führen. Das Problem dabei: Der Grundwasserspiegel würde im Hochwasserfall stark ansteigen. Dies stelle aus wasserwirtschaftlicher Sicht ein "Ausschlusskriterium" dar, heißt es in der Sitzungsvorlage. Die zweite Variante würde einen Deich im Bereich Im Lus vorsehen. Dieser würde westlich aller Gebäude, inklusive der "Alten Liebe", gebaut werden und damit komplett durch den Auwald verlaufen. Hier ist das "K.o.-Kriterium", wie Hartmann sagte, dass der Eingriff in den Auwald und dessen ökologisch wertvollen sowie artenreichen Flächen zu groß wäre. Damit bleibt nur noch die Variante "Alte Liebe" als "Kompromisslösung" übrig.

"In einem nächsten Schritt wollen wir uns noch einmal mit den betroffenen Anliegern zusammensetzen, um den Sachverhalt zu kommunizieren und zu diskutieren", so Hartmann. Termin für diesen Bürgerdialog ist an diesem Montag, 18. Juli, um 19 Uhr im Ludwig-Thoma-Haus. Erst mit den auf dieser Bürgerveranstaltung gewonnenen Erkenntnissen sollen die Stadträte im Umwelt- und Verkehrsausschuss am Mittwoch, 14. September, die Vorzugsvariante beschließen.

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