Einbahnstraße in der Altstadt:Was fehlt, ist die Konsequenz

Lesezeit: 1 min

Die Ausnahme für Busse ist für viele ein Schwachpunkt der Einbahnsraße. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Bemühungen um eine verkehrsberuhigte Innenstadt, womöglich mit dem Ziel eines autofreien Stadtkerns, sind unterstützenswert. Die aktuelle Regel aber ist zu lasch umgesetzt und nur eine Stellschraube unter vielen unangetasteten.

Kommentar von Joshua Beer

Die Innenstädte vom Autoverkehr entlasten, beruhigen und lebenswerter gestalten, vielleicht mit der Vision eines autofreien Stadtkerns im Hinterkopf. Das sind alles hehre Ziele und ganz im Einklang mit dem Wunsch nach einer echten Klima- und Verkehrswende. So muss man auch die Bemühungen in Dachau um eine verkehrsberuhigte Altstadt sehen: als im Ansatz richtig und unterstützenswert. Die nun im Altstadtring geltende probeweise Einbahnstraßenregel ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn nur an einer Stellschraube gedreht wird anstatt an allen gleichzeitig. Und dann auch noch so halbherzig. Die lasche Umsetzung der Einbahnstraße verschärft alle anderen Probleme, die nicht angegangen wurden.

Das drängendste ist der ÖPNV: Wer aus den ländlichen Ecken im Landkreis in die Stadt will, ist mit den Öffentlichen schlecht beraten. Die Buslinien sind arg lückenhaft, die S-Bahn wegen Verspätungen und Ausfällen unzuverlässig, am Ende bleibt nur das Auto. Allerdings macht sich da das nächste Altstadt-Problem bemerkbar: der Parkplatzmangel. Wer einen der wenigen freien Plätze versäumt, muss eine Ehrenrunde drehen - oder er lässt es halt sein. Ein in die Zukunft angelegtes Konzept würde beinhalten: kurzfristig Parkmöglichkeiten schaffen, die gut und ohne viel Rangieren einfahrbar sind und langfristig den ÖPNV ausbauen. Alles unter Bewahrung der Einbahnstraße, doch die müsste konsequent durchgezogen werden.

Die Ausnahme für die augenscheinlich ständig leeren, großen Stadtbusse stößt zu Recht auf Unverständnis. Fahrpläne für den Großraum München zu entwerfen, ist ohne Zweifel diffizil. Doch beim MVV klingt es, als seien sie - einmal beschlossen - auf ewig in Beton gegossen. Wenn man hört, dass sich Linien für 2022 nicht ändern lassen, weil für die gedruckten Fahrpläne im Oktober dieses Jahres Redaktionsschluss ist, möchte man schulterzuckend sagen: Dann druckt halt neu. Oder korrigiert's im Netz für den Bruchteil der Großraummünchner, die in der Altstadt Dachau fahren. Doch Alltagspragmatismus perlt an der MVV-Maschine ab. Man kann nur hoffen, dass sich auch die Klimakatastrophe dereinst in der deutschen Bürokratie verläuft, weil diese Redaktionsschluss hat.

© SZ vom 13.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Dachau
:Gegen den Strom

Seit sechs Wochen gilt die Einbahnstraßenregelung in der Dachauer Altstadt. Der Oberbürgermeister will noch keine Bilanz ziehen, dafür tun es die Geschäftstreibenden. Einige verzeichnen weniger Kunden, niemand hat Verständnis für die Ausnahme der Busse.

Von Joshua Beer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: