Schwabing:Laib und Seele zusammenhalten

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Täglich frisch von "freilaufenden Bäckern": Fridolin Artmann (links) und Idris Muhamedali ziehen jeden Morgen in ihrer einsehbaren Backstube frisch Duftendes aus dem Ofen. (Foto: Robert Haas)

Auch in Zeiten der Pandemie halten Fridolin Artmann und sein Team am Konzept ihres Brotraums fest. Vor aller Augen wird jeden Morgen an der Herzogstraße frisch gebacken - mit kleinen Einschränkungen

Von Daria Gladkov, Schwabing

Was ist schon normal in diesen Tagen? Wenn die Routinen scheitern, der Alltag einbricht und die Ungewissheit über die weitere Entwicklung der Pandemie am Bewusstsein nagt. Normal ist vielleicht am ehesten, was weiterhin Bestand hat. Helden des Alltags, die das Gefühl vermitteln, dass sich eigentlich gar nicht so viel geändert hat. Der Postmann, der morgens von seinem Fahrrad grüßt, der Herr vom Lieferservice einer Supermarktkette, der kurz auf dem Bürgersteig halten muss, weil das mit den Parkplätzen in Schwabing immer so eine Sache ist. Und der Bäcker an der Herzogstraße. Er ist auch einer, der immer noch für seine Kunden da ist. Jeden Tag stellt er eine Tafel vor den Eingang seines Geschäfts, es gibt "glückliche Biobrote von freilaufenden Bäckern", aber eben auch geänderte Öffnungszeiten - wegen der Pandemie.

Fridolin Artmann hat das Konzept "Brotraum", so heißt auch sein Laden, 2005 ins Leben gerufen. Abgeschaut von dem Trend der "Showküchen" wollte er eine Bäckerei, in der die Menschen ihm beim Brotbacken zuschauen konnten. "So kann man mit den Leuten reden, ihnen alles zeigen", sagt Artmann. Dadurch würden die Kunden auch das Produkt am Ende mehr wertschätzen. Alles Brot wird hier im Laden selbst gemacht, es gibt keine andere Backstube, keine Teiglinge oder Backmischungen. Das Mehl ist biologischer Herkunft.

Um den Betrieb zu finanzieren, hat Fridolin Artmann auch ein Café eingerichtet. Weil hier keiner mehr seinen Cappuccino trinken darf, sind ihm diese Einnahmen weggebrochen. Immerhin seien ihm aber die Lieferanten noch erhalten geblieben. Am Personal sparen müsse er aber trotzdem. Normalerweise beschäftigt Fridolin Artmann zwölf Personen. Inzwischen arbeitet aber nur noch die Morgenschicht bis zum frühen Nachmittag und kümmert sich ums Backen und den Verkauf der Waren. Der Brotraum konzentriert sich jetzt nur noch auf die Grundversorgung der Kunden.

Die Sonne scheint auf die mit Kissen bestückten Holzbänke vor dem Geschäft. Drinnen lächeln die Verkäuferinnen von der anderen Seite des Tresens. Sie teilen sich in diesen Tagen die Zuständigkeiten: Eine macht die Kasse und fasst das Geld an, die andere nur die Backwaren, um sie dem Kunden zu übergeben. In den letzten Tagen haben sie im Brotraum mehr gebacken. Die Nachfrage war so groß. "Aber nach den Hamsterkäufen wird sich das wieder normalisieren", sagt Artmann. Er hat eine Knödelbrotmaschine neben dem Tresen aufgebaut. Für die alten Semmeln, die übrig bleiben. Die Kunden können sie dann mit heimnehmen und Knödel daraus machen. Fridolin Artmann ist sich sicher, dass vor allem jetzt die Menschen mehr und aufwendiger kochen werden.

Odilia von Hornstein steht hinter dem Tresen und bedient die einzelnen Kunden, die den Laden betreten zusammen mit ihrer Kollegin. Sie lächelt freundlich und professionell, aber man sieht ihr die Erschöpfung an. Auf sie warten daheim ihre drei Kinder, die nun nicht mehr in der Schule oder im Kindergarten betreut werden. Das bringe sie vor allem in finanzielle Schwierigkeiten, sagt sie. Denn noch weniger Arbeiten bedeutet für die Mutter, dass auch der Lohn weniger werde. Sie ist aber optimistisch: "Die Stimmung ist ganz entspannt. Die Leute sind zwar distanziert, aber unkompliziert. Sie nehmen die Sache mit Humor.

© SZ vom 31.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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