Kurzkritik:Mein Feind, die Natur

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Chaya Czernowins Kantate "Atara" begeistert bei der "Musica Viva" im Herkulessaal.

Von Reinhard Brembeck

Mit blauen Haaren, ihre Hose läuft nach unten hin ins gleiche Blau aus, kommt die Komponistin Chaya Czernowin vergnügt auf die Bühne des Herkulessaals. Schließlich hat wieder einmal eines ihrer Stücke das Münchner Publikum begeistert, wie zur Jahrtausendwende, als ihre Holocaust-Erinnerungsoper "Pnima...ins Innere" den Durchbruch für die 1957 in Israel geborene Komponistin bedeutete.

Czernowin hat in Tel Aviv, Berlin und San Diego komponieren gelernt, darüber aber nie ihren eigenen Kopf vergessen. Bei aller leisen Freundlichkeit ist sie eine Meisterin der beharrlichen Suche nach neuen Lösungen, die bei ihr dann aber immer recht selbstverständlich, recht natürlich klingen. So auch in dem Vierzigminüter "Atara", vor eineinhalb Jahren in Wien uraufgeführt und jetzt in der " Musica Viva"-Reihe nachgespielt.

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Die von dem Komponisten und Dirigenten Matthias Pintscher mit zupackendem Elan und Engagement angeleiteten BR-Sinfoniker lassen in der ersten Hälfte von "Atara" Klangtsunamis von größter Unbedingtheit aufbranden. Immer neue Klangfarben und Mischungen präsentiert Czernowin, nutzt in ihrem Lamento spielerisch von Geräusch bis zur Tuttidetonation, vom fernen Grummeln bis zum verzweifelten Wüten alle Spielmöglichkeiten, die sich die Komponisten seit den Pionieren Edgar Varèse und John Cage erobert haben. Das Orchester ist hier das Alter Ego einer menschenfeindlichen Natur.

Als dann Sophia Burgos und Holger Falk singend in der Stückmitte eingreifen und einen herrlich dunklen Text voller Bedrohlichkeiten von Zohar Eitan demontieren und deshalb nur Leises und Brüchiges via Mikrofon beisteuern, ist klar, wie verloren hilflos der Mensch in dieser ihm feindlichen Natur ist. Eine Ahnung davon gab davor schon Iannis Xenakis in "Shaar", während in Matthias Pintschers "Neharot" vor allem positive Kräfte am Werk sind, die auf Vermittlung und Versöhnung zielen.

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