Bogenhausen:Reiter soll's richten

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750 Meter lange Güterzüge, etwa 230 pro Tag: Die Bürgerinitiative Bahntunnel fordert wirksamen Lärmschutz. (Foto: Florian Peljak)

Die Stadtverwaltung versichert, der Oberbürgermeister werde Gespräche führen, um Münchens Interessen beim Bahnausbau im Osten der Stadt zu wahren. Prognosezahlen für den Güterverkehr gibt es noch nicht

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Antworten auf seine Fragen zum Ausbau des Güterverkehrsknotens München Ost hat der Bezirksausschuss Bogenhausen vom Planungsreferat noch nicht bekommen. Dafür aber die Versicherung, es sei "selbstverständlich unser Ziel, dass die Anwohnerinnen und Anwohner vor den negativen Folgewirkungen dieser großen Infrastrukturmaßnahmen bestmöglichst geschützt werden". Daher werde man Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bitten, sich bei der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium "für die Münchner Interessen einzusetzen". Obwohl konkrete Informationen fehlen, markiert der Brief eine Zäsur, hatte die Behörde doch bisher den Eindruck erweckt, sie stehe den Großbauprojekten der Bahn im Münchner Osten passiv gegenüber.

Grob gesagt will die Bahn ihre Güterzüge schneller durch die Stadt fahren lassen, den Südring und den Ostbahnhof vom Güterverkehr entlasten und diesen auf dem Nordring und am Rangierbahnhof Nord bündeln. Hintergrund ist, dass sich in München zwei große europäische Gütertrassen kreuzen, die Achse Kopenhagen - Sizilien und die Strecke Paris - Bratislava. Noch gar nicht berücksichtigt ist in den Plänen, dass auch der Nordzulauf zum Brenner-Basistunnel in Trudering beginnen wird, dass also womöglich noch weit mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagert werden, als jetzt absehbar ist.

Jedenfalls: Damit die Bahn mehr Güterzüge schneller durch die Stadt kriegt, sind diverse Baumaßnahmen notwendig. Unter anderem sollen die Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange (TDK) ausgebaut und modernisiert werden, sodass die Züge dort mit Tempo 80 bis 100 durchfahren können. Außerdem wird die Bahnstrecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen von zwei auf vier Gleise erweitert, um Güter- und Personenzug-Trassen zu entflechten. Damit lässt sich dann auch der Plan des Freistaats verwirklichen, auf dieser Strecke Express-S-Bahnen einzusetzen, die im 15-Minuten-Takt den Flughafen ansteuern. Und weil viele Züge viel Lärm machen, will die Stadt München, dass die vier Kilometer lange viergleisige Ausbaustrecke in einem Tunnel verschwindet. Dann ließen sich vernünftige Straßen ohne Bahnschranken in das neue Stadtviertel bauen, das östlich der Bahn entstehen soll. Bezahlen - das ist der momentane Sachstand - würde diesen Tunnel die Stadt selbst. Zuletzt wurden die Kosten auf 2,3 Milliarden Euro geschätzt.

Die große Unbekannte in der Geschichte ist die Zahl der Güterzüge. Die Bahn hat bisher eine Verdreifachung des Verkehrs auf der Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen offiziell bestätigt - von heute 83 auf "in etwa" 226 pro Tag im Jahr 2030. Die Bürgerinitiative (BI) Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen hält bis 2050 eine Verachtfachung für möglich, auf dann knapp 660 Güterzüge pro Tag. Ein Tunnel sei daher vollkommen unverzichtbar, argumentiert die Initiative, und bezahlen müsse ihn die Deutsche Bahn, schon aus Lärmschutzgründen.

Für die Daglfinger und Truderinger Kurve und Spange wiederum haben Anwohner alternative Trassenvorschläge entwickelt. Darauf geht das Münchner Planungsreferat in seinem Entwurf einer Stellungnahme zu dem Bahnprojekt aber nur am Rande ein. Statt mit Güterzug-Zahlen und Lärmschutz für die Anwohner befasst sich das Papier nahezu ausschließlich mit Naturschutz und der Verbesserung von Rad- und Fußwegverbindungen. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf die Planung selbst seien "stark beschränkt".

Diese Haltung stieß in den Bezirksausschüssen (BAs) Trudering-Riem und Bogenhausen auf großes Unverständnis. In Trudering-Riem kritisierten die Grünen die "unzureichende Auseinandersetzung der Stadtverwaltung mit diesem für den Münchner Osten so essenziellen Infrastrukturprojekt", in Bogenhausen sprach die CSU von einem "falschen Schwerpunkt". Auf ihre Initiative hin fordert der BA vom Planungsreferat Antwort auf zwei Fragen: Zum einen soll die Behörde bei der Bahn für die Strecke von Trudering bis Johanneskirchen die Prognosezahlen für 2030 und 2050 und den zusätzlichen Verkehr durch den Brenner-Basistunnel einholen. Zum anderen soll die Stadt untersuchen, ob angesichts der vielen Güterzüge die Gleiskapazität für S-Bahnen und Regionalzüge überhaupt noch ausreicht.

Jetzt hat der BA einen Brief vom Referat bekommen, allerdings keine Auskunft auf seine Fragen. Man werde die DB Netz AG bitten, die Prognosen zur Verfügung zu stellen, heißt es zu Frage eins. Beim Personenverkehr untersuche der Freistaat gerade die Kapazitäten, heißt es zu Frage zwei. Da sei die Stadt "weder zuständig noch ... in der Lage". Den viel gescholtenen Beschlussentwurf verteidigt das Referat. Er befasse sich mit Fuß- und Radwegen, weil da längere Abstimmungsprozesse erforderlich seien. "Nur so kann die Landeshauptstadt München hier ihre Einflussmöglichkeiten wahren."

Dem BA Bogenhausen war das Schreiben aus dem Planungsreferat in der jüngsten Sitzung keine Debatte wert. "Die Fragen des Bezirksausschusses sind noch nicht beantwortet", heißt es lapidar im Protokoll. Der Unterausschuss Planung lädt in seine nächste Sitzung Vertreter von Bahn und Planungsreferat ein. Sie findet am Donnerstag, 9. Januar, 19.30 Uhr, im Saal der Schützenlisl II, Englschalkinger Straße 208, statt.

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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