Lokalrunde:Endlich wieder draußen sitzen

Lesezeit: 1 min

Schon klar: Im Mittelpunkt steht beim Biergartenbesuch der Masskrug. Aber eine vernünftige Grundlage kann entscheidend sein. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Das Kochbuch "Unter weiß-blauem Himmel" widmet sich der Biergartenküche - und überrascht mit neuen, ungewöhnlichen Rezepten.

Von Franz Kotteder

Mit dem Essen im Biergarten ist das ja immer so eine Sache. Es dient im Wesentlichen als Grundlage, ist also nicht Hauptzweck des kulinarischen Aufenthalts, sondern eher zweckdienliche Beigabe. Schließlich heißt das Ganze ja nicht Obazdagarten, Spareribs-Ranch oder Hendlfriedhof (den gibt es im Altbairischen zwar tatsächlich, er ist aber nur die Bezeichnung für die meist männliche Wampe). Entsprechend lieblos werden die Speisen in vielen Biergärten auch behandelt. Man hat den Eindruck: Hauptsache, das eher preußische Wort "deftig" passt darauf.

Insofern kann man es mutig finden, dass der große Kochbuchverlag Gräfe und Unzer jetzt ein Werk mit Biergartenspeisen auf den Markt bringt. Es ist aber gerade das nicht, was man auf den ersten Blick vermuten würde: ein weiteres bayerisches Kochbuch mit den sattsam bekannten Klassikern von Steckerlfisch bis Wurstsalat. Sondern es bietet raffinierte und intelligente Varianten von Gerichten, die meist schnell und leicht zuzubereiten sind. Das ist schlüssig, denn schließlich herrscht seit Alters her das Gebot: In den Biergarten darf man sein Essen selbst mitbringen, die Getränke holt man sich aber vom Wirt.

Und so haben Julia Herrmann und Stefan Brückl mit ihrem Werk " Unter weiß-blauem Himmel - Die besten Biergarten-Rezepte zum Draußen-Genießen" (Verlag GU, 192 Seiten, 25 Euro) irgendwie auch die Ehre der Biergartenküche gerettet. In fünf Kapiteln mit einleitenden Exkursen, etwa über die Brotzeit an sich, wird sie durchdekliniert. Besonders hervorzuheben ist der Einfallsreichtum bei den Rezepten, etwa beim "sizilianischen Kartoffelsalat", der durch Cedri-Zitronen veredelt wird und dadurch eine frische, zitronige Note bekommt. Oder das "Vitello Forello", bei dem die Soße statt vom Thunfisch von der Forelle gewonnen wird. Das ist schön regional und nachhaltig gedacht und schmeckt trotzdem hervorragend. Ausgefallen auch die Fischsemmel mit saurem Bratkarpfen - darauf muss man erst mal kommen! Vom Wurstsalat bis zum sauren Rindfleisch, von der Weißwurst bis zum Erdäpfelkas sind fast alle Klassiker vertreten, und oft sind sie leicht abgewandelt und mit einem neuen Twist versehen. Das macht Lust darauf, mal selber etwas Neues zu probieren, und das ist ja mit das Beste, was sich über ein Kochbuch sagen lässt. Einziger Minuspunkt: die stellenweise etwas bemühte Übertragung der bayerischen Mundart in eine Art Lautschrift, bei der selbst Eingeborene rätseln müssen, was sich genau hinter einem "Mongdrazzal" oder einem "Sebbel-Salat" verbirgt. Sei's drum!

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: