Jazz-Festivals:Der Rhythmus, bei dem man mit muss

Lesezeit: 3 min

Die Band J.D.Hive des Geigers Johannes Dickbauer spielt beim Outreach Festival in Schwaz. (Foto: Severin Koller)

Ausflugsziele für Jazzfreunde: Drei ganz unterschiedliche Festivals warten auf Besucher.

Von Oliver Hochkeppel

Die Jazz-Karawane zieht weiter, könnte man sagen. Für bayerische Freunde der improvisierten Musik und ihrer inzwischen in alle Genres verästelten Formen stehen im Ferienmonat August seit vielen Jahren Ausflüge nach Österreich auf dem Programm. Nicht weit entfernt von der Grenze finden traditionell drei wichtige Festivals statt. Nach Notausgaben in den vergangenen zwei Jahren - immerhin konnten sie in Österreich eingeschränkt stattfinden, während in Bayern das meiste ganz ausfiel - ist nun erstmals wieder Vollprogramm. Los geht es in Tirol und Vorarlberg.

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Das Outreach Festival in Schwaz

Stets am ersten Augustwochenende, diesmal also vom 4. bis 6., findet das "Outreach Festival" in Schwaz statt, knapp 30 Kilometer von Innsbruck entfernt. 1993 gründete es der Trompeter Franz Hackl in seiner Geburtsstadt, auch als Möglichkeit, neben der Instrumentenschmiede, die er mit seinem Vater betrieb, die Verbindung zur Heimat zu halten. Denn eigentlich hat ihn seine Karriere nach New York geführt, wo er mit seiner Familie seinen Hauptwohnsitz hat und auch ein Gros seiner Musikerfamilie sitzt. Aus seinen eigenen Erfahrungen zwischen Europa und USA, zwischen Kleinstadt und Metropole, zwischen Tradition und Postpostmoderne, aber auch zwischen Volksmusik und Jazz speist sich auch das Outreach Festival. Versteht es sich doch interdisziplinär, genreübergreifend und ganzheitlich: "Die Vision von Outreach ist, Musik und alle anderen bildenden und darstellenden Künste zu verwenden, um Grenzen aufzubrechen und Synergien zu schaffen", sagt Hackl. Dazu gehört die "Outreach Academy", die schon zwei Wochen vor dem Festival-Beginn startet Dazu gehört eine Ausstellung - heuer ist sie dem afroamerikanischen Fotojournalisten Ozier Muhammed gewidmet. Der Pulitzer- und Polk-Preisträger arbeitete von 1992 bis 2014 für die New York Times und verstand seine Fotografie immer als Mittel, um auf die Ungerechtigkeiten in der Welt aufmerksam zu machen.

Und dazu gehört das Bearbeiten gesellschaftspolitisch relevanter Themen, "fern jeder Ideologie und stets als Inspiration gedacht", wie Hackl sagt. Meist wird das schon im Motto deutlich. "Burst, Bubbles & Unite" lautet es heuer bei der 30. Ausgabe, und so soll die Musik helfen, Blasen platzen zu lassen, Fakes zu entlarven und zusammenzuführen. Dafür sorgen im Festivalspielort SZenter einmal so prominente und eigenwillige Größen wie die im Duo auftretenden Posaunisten Ray Anderson und Dave Taylor, die Gitarristin Leni Stern, die Afrika zu ihrem Thema gemacht hat, der Trompeter Alex Sipiagin oder der Pianist Lorenzo Di Finti. Zum anderen ist Outreach Plattform neuer österreichischer Top-Bands wie J.D. Hive, AUTsiderz oder Memplex. Und die lokale Szene kommt in Schaufensterkonzerten zum Zug, diesmal erstmals sogar sieben Tage lang.

Die Bezau Beatz

Welt- und stiloffen präsentiert sich das Festival "Bezau Beatz", zu dem auch die Harfenistin Kathrin Pechlof kommt. (Foto: Cristina Marx)

Leider wieder parallel zum Outreach Festival laufen noch etwa weiter westlicher, im Vorarlberger Bezau, die "Bezau Beatz". Auch dieses Festival ist ein Musikerkind. Der Schlagzeuger Alfred Vogel richtete es vor 15 Jahren in seiner erheirateten Heimat ein, in der er auch ein Studio und ein Label betreibt. Grandios ist nicht nur das Setting der Veranstaltung vom 4. bis zum 7. August mit der Lok-Remise der Museumsbahn "Walderbähnle" als Hauptspielort und Kirchen, Sägewerken oder Almhütten als Extras. Sondern auch die erlesene Riege welt- und stiloffener Musiker, die hier zu einem das Jazzgenre weit sprengenden Stelldichein zusammenkommt: Von der jungen Leipziger Band Glotze und der Bassistin Ruth Goller, die gleich zwei Trios präsentiert, über Solos des Schlagzeugers und mehrfachen Deutschen Jazzpreisträgers Christian Lillinger und der Harfenistin Kathrin Pechlof bis zur brasilianischen Multiinstrumentalistin Maria Portugal oder dem Geiger und Bezau-Stammgast Theo Cecchaldi mit neuem Sextett.

Saalfelden Jazzfestival

Der Tubist Daniel Herskerud spielt beim Saalfelden Jazzfestival. (Foto: Knut Åserud)

Nicht einem Musikerwunsch, sondern dem Zusammenspiel von Tourismusverband, Veranstaltern und visionären Leitern ist das Saalfelden Jazzfestival (18. bis 21. August) entsprungen, das älteste und überregional renommierteste der hier betrachteten. Traditionell stammt ein Drittel der Festival-Besucher laut Erhebung des Tourismusverbandes aus Bayern. Sie kommen eher nicht wegen der malerischen Alpenlandschaft, dafür bleibt nämlich kaum Zeit: Saalfelden ist ein nahezu rund um die Uhr laufendes Hardcore-Festival für anspruchsvolle Musik. Seit 2006 mit dem modernen Kongresszentrum als Mainstage (neben dem Nexus, diversen Almen und dem Hauptplatz) läuft hier vor allem, was jung, komplex und innovativ ist. Heuer zum Beispiel international besetzte recht neue Bands wie Melting Pot, Ostbeatbend, Sharktank oder Y-Otis. Aber auch große leuchtende Namen wie die US-Pianisten Vijay Iyer und Jason Moran, der französische Cellist Vincent Courtois oder der Sopransaxofonist Emile Parisien mit seinem All-Star-Sextett und Trompeter Theo Croker als Stargast. Nachhaltigkeit ist eines der Festivalthemen, und so schließt sich Festivalmacher Mario Steidl vorneweg dem Trend an, möglichst viele Musiker als artist in residence, jedenfalls möglichst lange und in möglichst vielen Kombinationen auf dem Festival zu halten.

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