Festival:Warten auf des Helden Rückkehr

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Wiebke Mollenhauer in Christopher Rüpings Inszenierung von "Il Ritorno". (Foto: Wilfried Hösl)

Beim "Ja, Mai"-Festival der Bayerischen Staatsoper debütiert Sprechtheater-Hero Christopher Rüping als Opernregisseur.

Von Egbert Tholl

Das Alte und das Neue: Vor einem Jahr fand das Festival "Ja, Mai" der Bayerischen Staatsoper zum ersten Mal statt und lieferte zwei aufsehenerregende Opernproduktionen. Zwei Opern von Georg Friedrich Haas nach Libretti von Händl Klaus - "Bluthaus" und "Koma" -, jeweils verbunden mit Werken von Claudio Monteverdi. Die Haas-Opern waren wenige Jahre alt, mit Monteverdi begann die Geschichte der Oper. Eigentlich hätte damals noch eine dritte Oper von Haas aufgeführt werden sollen, "Koma", doch da dafür als Dirigent Teodor Currentzis und mit ihm das Orchester MusicAeterna vorgesehen war, Putin die Ukraine überfallen hatte und dadurch das Engagement der Musiker problematisch wurde, wurde die Produktion verschoben. Momentan geplant ist, die Inszenierung von Romeo Castellucci 2024 nachzuholen.

Die Gegenwart der Oper mit deren Anfängen zu verbinden, ist auch die Idee der diesjährigen Ausgabe des Festivals. Wieder gibt es Monteverdi, wieder ein Stück, das gerade 19 Jahre alt ist. Und doch ist alles anders als beim ersten Mal.

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Eröffnet wird das Festival am 5. Mai mit der Premiere von "Hanjo" im Haus der Kunst. Die Oper von Toshio Hosokawa, basierend auf einem Nō-Stück von Yukio Mishima, kam 2004 beim Festival in Aix-en-Provence heraus; in München inszenieren wird sie nun Sidi Larbi Cherkaoui, das Bühnenbild stammt von dem Künstler Rirkrit Tiravanija. Begleitet wird die Produktion von einer ziemlich verstreuten, kleinen Filmreihe, wie überhaupt neben den Opernproduktionen verschiedene Veranstaltungen stattfinden, manche voller Worte, manche voller Musik wie der Beitrag der Staatsoper zur Langen Nacht der Musik, am 6. Mai erst im Haus der Kunst, dann von 22 Uhr an im Nationaltheater.

Eine kleine Sensation ist die zweite Opernproduktion des Festivals: Christopher Rüping gibt damit sein Operndebüt. Mit Monteverdis "Il ritorno d' Ulisse in patria", woraus der Abend "Il Ritorno / Das Jahr des magischen Denkens" wird. Rüping bescherte im Herbst 2018 den Münchner Kammerspielen den größten Erfolg der Ära Lilienthal - sein vielstündiges Antikenfest "Dionysos Stadt" war schlichtweg eine Sensation. Damals war er Hausregisseur an den Kammerspielen, derzeit ist er dies am Schauspielhaus Zürich und wird es dort bis zum Ende der Intendanz von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg auch bleiben; daneben inszeniert er an anderen Häusern wie etwa in Hamburg und Berlin. Fünf seiner Inszenierungen waren bislang zum Theatertreffen eingeladen; Rüping ist 37 und einer der aufregendsten Theaterregisseure seiner Generation.

Oper hat der Regisseur Christopher Rüping bis jetzt noch nicht gemacht. (Foto: Bayerische Staatsoper)

Nur Oper hat er noch nie gemacht. Gefragt wurde er schon einmal, vor sieben Jahren. Wenn man als Schauspielregisseur erfolgreich ist, kommt so eine Anfrage irgendwann von ganz allein, "man muss nur lang genug durchhalten". Das sieht Rüping ganz entspannt. Meist kämen diese Anfragen ohnehin deshalb, weil man die spezifische Ästhetik eines Schauspielregisseurs oder einer -regisseurin gerne auf der Opernbühne sehen wollte. Das kleine Problem daran ist nur, dass er anders arbeitet. Die Prozesse seines künstlerischen Tuns sind mit herkömmlichen Strukturen des Musiktheaters kaum vereinbar.

Tatsächlich sieht auch jede Inszenierung von Rüping anders aus, funktioniert anders als die vorangegangenen. Die Neugierde, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, würde dabei durchaus einschließen, auch mal mit Sängern und einem Orchester zu arbeiten. Aber eben, die Struktur. Als ihn Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, das erste Mal fragte, lehnte er auch ab.

"Ulisse" kombiniert er mit Joan Didions Buch "Das Jahr magischen Denkens"

Aber Dorny wusste schon, was er wollte. Wenn man einen (vor allem für Opernverhältnisse) ungewöhnlich arbeitenden Regisseur engagieren will, dann muss man halt die gewöhnlichen Strukturen verlassen. Also schlug er Rüping schließlich Monteverdi vor, weil frühbarocke Opern mehr Freiheiten in der Umsetzung erlauben als beispielsweise welche aus dem 19. Jahrhundert. Und: "Ritorno" ist nicht allein ein Opernabend, er ist genauso Schauspiel, so etwa 60 zu 40. Rüping kombiniert den "Ulisse" mit Joan Didions Buch "Das Jahr magischen Denkens", erschienen 2006.

Monteverdis Oper handelt von sich streitenden Göttern, vor allem aber vom Warten Penelopes auf die Heimkehr ihres Mannes Ulisse. Erst der Krieg um Troja, dann die Irrfahrten, Penelope wartet 20 Jahre, alle um sie herum beschwören sie, loszulassen und ein neues Leben zu beginnen. Nur sie glaubt an die Rückkehr. Als Ulisse dann endlich auftaucht, erkennt sie ihn erst einmal nicht, doch schließlich nach vier Stunden: Happy End.

Joan Didion beschreibt in ihrem Buch, wie sie ein Jahr lang nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes keine Nachrufe auf ihn lesen und seine Schuhe nicht wegschmeißen konnte, er würde sie ja noch brauchen, wenn er zurückkäme. Ihr Denken ist ein Jahr lang nicht logisch, sondern eben magisch. Ein Jahr, dann ist die Magie abgeschlossen. Penelope hatte 20 Jahre - und er kam wieder.

Rüping schwärmt von der Konstellation, mit der er arbeiten konnte. Kristina Hammarström singt die Penelope, Charles Daniels gibt nach Jahrzehnten als Experte des barocken Gesangs sein Debüt an der Staatsoper, die Besetzung der anderen Rollen durfte sich Rüping aus den Mitgliedern des Opernstudios aussuchen. Mit Christopher Moulds hat Rüping einen Dirigenten, der extrem aufgeschlossen für seine Inszenierungsidee ist: erst zehn Minuten Didion-Text, dann 45 Minuten Oper, dann verschwimmen die beiden Genres ineinander, der Abend dauert insgesamt zwei Stunden. Für Didions Text hat Rüping zwei Schauspielerinnen und einen Schauspieler: Damian Rebgetz, der unter Lilienthal an den Kammerspielen war, die (Münchner) Bühnenikone Sibylle Canonica und Wiebke Mollenhauer. Die bildete das herzzerreißende Zentrum von Rüpings jüngster Inszenierung in Zürich, Sarah Kanes "Gier". Nun, so erzählt Rüping, seien die Orchestermitglieder völlig begeistert von dem, was die Schauspielenden machen.

Festhalten oder loslassen? Trotz seines allergrößten Respekts vor der Opernregie - "glaube nicht, dass meine Arbeit der Weisheit letzter Schluss ist", aber die Continuo-Gruppe beispielsweise war auf fast allen Proben mit dabei - bricht Rüping das Werk auf. Die Neuerfindung der Kunstform Oper findet im Cuvilliés-Theater statt, das ja Bühne und Rokoko-Museum gleichermaßen ist. Mit diesem Zwiespalt kämpft die Oper ja seit langem. Da das ewige Bewahren, dort zaghafte Versuche, mit Partituren freier umzugehen. Dafür braucht es Künstler wie Rüping.

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