Nach der Kehrtwende der Rathaus-CSU bei den Neubauplänen im Nordosten äußert die Münchner SPD "erhebliche und grundsätzliche Zweifel an der Verlässlichkeit und Regierungsfähigkeit" des konservativen Bündnispartners. Das von Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU) bei einer Diskussionsveranstaltung am Donnerstagabend verkündete Nein zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) stehe im Widerspruch zu einem erst wenige Tage alten Votum seiner Fraktion. Die Vollversammlung des Stadtrats hatte erst am 13. Februar mit den Stimmen der CSU beschlossen, für das SEM-Gebiet einen Architektenwettbewerb auszuloben.

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Das zeigt die Diskussion bei der Info-Veranstaltung zur SEM. Die einen sind für, die anderen gegen das große Bauprojekt. Wie sollen Bürger und Politik mit dem enormen Wachstum der Stadt umgehen?
Während die Reaktionen der Sozialdemokraten am Freitag noch vergleichsweise milde und diplomatisch ausfielen, setzt Münchens Parteichefin Claudia Tausend nun auf Konfrontation - in ungewöhnlich hartem Tonfall. "Bei unzuverlässigen Partnern, denen billiger Applaus vor Ort wichtiger als das Allgemeinwohl ist, stellen sich grundsätzliche Fragen der Zusammenarbeit", wettert die Bundestagsabgeordnete.
Die SEM sei das einzige vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Instrument, "absurde Preissteigerungen für Grundstücke wirksam zu deckeln." Tausend erinnerte daran, dass gerade auch Pflegekräfte, Polizisten oder Müllwerker auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind. Ohne bezahlbare Grundstücke aber könne es kein bezahlbares Wohnen geben.
Parteivize Roland Fischer warf der CSU vor, beim kleinsten Windhauch umzufallen und den Gestaltungswillen für die ganze Stadt aufzugeben. Regierungsfähigkeit habe auch damit zu tun, für richtig und als notwendig Erkanntes einzutreten. Es gehe darum, das Allgemeinwohl der gesamten Stadt zu vertreten, "nicht die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger Grundstücksbesitzer". SPD-Rathausfraktionsvize Christian Müller prophezeite, dass die von der CSU als verträglich erachteten 10 000 Einwohner niemals ausreichten, um eine U-Bahn zu rechtfertigen. Das neue Quartier soll neben der bestehenden S-Bahn vor allem durch eine Verlängerung der U 4 Richtung Englschalking und darüber hinaus erschlossen werden.
Pretzl hatte am Donnerstag erklärt, das Gebiet solle mit einem anderen Instrument als der "verbrannten" SEM überplant werden und eher 10 000 bis 15 000 als die ursprünglich anvisierten 30 000 Einwohner erhalten. Beschlossen ist allerdings noch nichts. Auch in dem vom Stadtrat verabschiedeten Architektenwettbewerb stehen drei Szenarien zur Auswahl: für 10 000, 20 000 oder 30 000 Einwohner. Vor dem Vorliegen eines Ergebnisses steht eigentlich kein weiterer Stadtratsbeschluss zur SEM an. Allerdings könnte die CSU einen Antrag mit Pretzls Thesen zur Abstimmung stellen.