Grundstückspolitik:Die entscheidende Frage ist: Wie viel München gehört der Stadt?

Vorratsflächen Westen

Vorratsflächen Westen Fläche nördlich vom Gut Mooschwaige im Münchner Westen

(Foto: Florian Peljak)
  • Wer in München Grundstücke besitzt, hat Macht. Der Stadt selbst gehört eine fünfstellige Zahl an Grundstücken.
  • Zugleich versucht die Stadt ständig, Flächen anzukaufen - ungefähr 60 Hektar sind es pro Jahr, oft liegen die außerhalb der Stadt.
  • Die sogenannten Vorratsflächen schrumpfen dennoch, weil ein Teil sofort wieder vergeben wird, etwa für Kindergärten oder Schulen. Weitere Flächen gehen an kommunale Wohnungsunternehmen oder an Investoren.

Von Dominik Hutter

Für die Kirchenvorderen dürfte es beruhigend klingen: Die Eigentümerin der Grundstücke mit den Nummern 1382 und 1383 verfolgt derzeit keinerlei Pläne zur Umnutzung. Was aus Sicht des Denkmalschutzes auch problematisch wäre, denn auf ihnen befindet sich die Apsis der Heiliggeistkirche. Die Mini-Areale im Tal gehören einem echten Großgrundbesitzer - der Stadt München, die auf eigener Flur eine fünfstellige Zahl an Grundstücken besitzt. Und mit einigen davon ganz bewusst strategische Ziele verfolgt: Fast 3300 Flächen mit 22,5 Millionen Quadratmetern zählen zum sogenannten Vorratsvermögen, das für Schulen, Wohn- und Verwaltungsbauten, aber auch zum Tausch und als Ausgleichsfläche vorgehalten wird.

Wer Immobilien hat, hat Macht - dieses Prinzip gilt auch für eine Kommune. Wenn ein neues Wohngebiet geplant wird, ist es viel einfacher, auf eigene Grundstücke zugreifen zu können. Für Schulen, Kindergärten, Grünanlagen oder bezahlbare Wohnungen. Und manchmal auch, um beim Verkauf einem Investor Zugeständnisse zu entlocken. Einen bestimmten Anteil preisgünstiger Wohnungen etwa oder einen Zusatzbeitrag zur Infrastruktur. In Freiham hat die Stadt in Jahrzehnten riesige Flächen erworben, die der Stadt nun Streitereien ersparen wie im Münchner Norden und Nordosten, wo eine Vielzahl von Grundstückseigentümern für ihre Interessen kämpft. Oft wollen Private nicht verkaufen, sondern allenfalls tauschen. Auch dafür braucht es ein Portfolio unterschiedlicher Flächen. Für die Landwirtschaft, aber auch für Wohnen oder Gewerbe.

Die Stadt ist daher ständig auf der Suche nach neuen Grundstücken. "Man muss große Ohren haben", berichtet Kommunalreferentin Kristina Frank. Einfach ist das in München nicht. Vielerorts ist schon alles dicht. Diverse Vorratsflächen liegen daher außerhalb der Stadt.

Beim Kauf ist die Kommune durch eigene Vorgaben gegenüber privaten Investoren oft im Nachteil. Denn heillos überhöhte Preise darf das Kommunalreferat auch bei gesteigertem Interesse nicht zahlen, das wäre mit öffentlichem Geld nicht zu verantworten. Auf der anderen Seite dürfen Flächen nicht unter Wert abgegeben werden, auch nicht für einen guten Zweck. 60 Hektar Grund kauft die Stadt in etwa pro Jahr, berichtet Tanja Peikert, die Leiterin der Abteilung Immobilienservice im Kommunalreferat. 40 Hektar werden pro Jahr für eigene Zwecke verwendet und fallen aus dem Vorratsvermögen heraus - für Kindergärten oder Schulen etwa. Und 30 Hektar werden abgegeben: an die kommunalen Wohnungsunternehmen oder an Investoren für neue Gewerbebauten und Wohnviertel.

Das Vorratsvermögen wird also trotz immer neuer Zukäufe kleiner. Aber es geht ja auch nicht ums Besitzen. Sondern darum, für die Allgemeinheit möglichst viel herauszuholen. Gerade auch für Stadtplaner ist ein strategisches Grundstücksvermögen sinnvoll, berichtet Frank. Oft sind Parzellen für größere Planungen sehr ungünstig zugeschnitten. Darauf dann beim Bau eines Wohnviertels Rücksicht zu nehmen, ließe einen ungünstigen Kompromiss erwarten. Also kommt das Vorratsvermögen zum Einsatz. Letztlich funktioniert das wie bei der Flurbereinigung auf dem Land: Der Flickenteppich verschwindet und große zusammenhängende Flächen prägen das Bild. Bis dahin werden viele Vorratsflächen anderweitig genutzt: von den Stadtgütern etwa, die dort Landwirtschaft betreiben.

Viele Flächen der Stadt dürfen gar nicht mehr angetastet werden. Sie dienen als Ökokonten bei Neubauten. Denn wer eine Fläche versiegelt, muss einen Ausgleich schaffen. Das ist nur noch selten im unmittelbaren Umfeld möglich. Die Stadt unterhält deshalb zwei Ökokonten im Münchner Westen: die Moosschwaige und das Eschenrieder Moos. Dort wird naturnah umgestaltet, was anderswo bebaut wird. Nutzer sind sowohl die Stadt selbst als auch private Investoren, die sich einkaufen können. Voraussetzung: Das Areal muss ökologisch dazugewinnen. Die simple Umwidmung eines bestehenden Naturschutzgebiets wäre also eine Mogelpackung.

Theoretisch kann eine Stadt natürlich auch Grundstücke als Wertanlage verwenden, als eiserne Reserve für schlechte Zeiten. Das allerdings, so versichert Frank, steht derzeit nicht im Fokus.

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