Kommunalwahl in Bogenhausen:Platzhirsch in der Defensive

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Ein angekratztes Bündnis: Die CSU mit dem Fraktionsvorsitzenden Robert Brannekämper hat den Ton gegenüber den Grünen und ihrer Bezirksausschuss-Vorsitzenden Angelika Pilz-Strasser verschärft. (Foto: Robert Haas)

Die CSU als stärkste Fraktion sieht den Trend gegen sich, die Grünen dagegen sind im Aufwind. Wie sich der Bezirksausschuss nach der Kommunalwahl zusammensetzt, ist schwer abzusehen

Von Ulrike Steinbacher

Fangen wir mit Robert Brannekämper an: Der CSU-Abgeordnete verteidigte 2018 sein Landtags-Direktmandat. Das mag ganz normal sein im Stimmkreis München-Bogenhausen, der traditionell CSU-Vertreter ins Maximilianeum schickt. Aber die Sache lohnt einen zweiten Blick. Wer die Auszählung in der Wahlnacht verfolgte, sah lange Zeit einen anderen Bewerber in Führung liegen: Andreas Baier von den Grünen. Am Ende siegte Brannekämper mit einem Vorsprung von 2,3 Prozentpunkten - knapp 1500 Stimmen. Fünf Jahre zuvor hatte er 7,4 Prozentpunkte oder knapp 5500 Stimmen mehr gehabt als der zweitplatzierte Hans Ulrich Pfaffmann (SPD). Natürlich ist es müßig zu spekulieren, aber: Wäre 2018 statt des relativ unbekannten Lokalpolitikers Baier ein politisches Schwergewicht zur Wahl angetreten, sagen wir Ludwig Hartmann, der Co-Vorsitzende der Grünen im Landtag, der fünf Jahre zuvor im Stimmkreis Bogenhausen 14,4 Prozent geholt hatte - wer weiß? Wer weiß, ob Robert Brannekämper sein Landtagsmandat behalten hätte.

Man muss das vielleicht im Hinterkopf haben, um zu verstehen, warum der CSU-Mann, noch mehr als seine Partei im allgemeinen, die Grünen als den zentralen politischen Gegner sieht. Das gilt auch für den Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen, dem Brannekämper seit 2002 angehört, und erschwert die Sacharbeit dort manchmal ordentlich, neigt die CSU doch dazu, Freund und Feind mit Alleingängen zu überrumpeln. Da zieht Brannekämper dann schon mal einen eigenen Antrag aus der Tasche, obwohl sich zuvor alle Lokalpolitiker auf ein interfraktionelles Papier verständigt haben. Manche Kollegen hat er damit gründlich vergrätzt. "Immer diese Tour, dass Sie uns das pressewirksam vor den Latz knallen", ätzte neulich ÖDP-Sprecherin Nicola Holtmann.

Dass die CSU gerade gegenüber den Grünen den Ton verschärft hat, ist auch insofern delikat, als im BA mit Angelika Pilz-Strasser eine Grüne seit zwölf Jahren den Vorsitz innehat. Ihr Amt verdankt sie einem Bündnis mit der CSU, das wiederum Brannekämper selbst einst eingefädelt hat. Ob es nach der Wahl zu einer Neuauflage kommt, ist ungewiss - nicht nur, weil die Schwarzen es sich anders überlegen könnten: Angelika Pilz-Strasser kandidiert zusätzlich für den Stadtrat und hat mit Listenplatz elf gute Chancen auf ein Mandat. Dann wird sie den BA-Vorsitz wohl abgeben, zumindest lässt sich das aus dem einzigen Satz herauslesen, der ihr zu dem Thema zu entlocken ist: "Als Mitglied werde ich dem BA sicher angehören."

Dass die Grünen, die jetzt sechs Sitze im Stadtteilgremium haben, zulegen werden, davon geht Pilz-Strasser trotz aller Vorsicht aus. Der Ortsverband habe im Sommer das hundertste Mitglied begrüßt, viele junge Leute engagierten sich, die Stimmung sei fantastisch. Zu den Neumitgliedern gehört Petra Cockrell, und mit ihr haben die Grünen einen interessanten Fang gemacht. Cockrell war bereits viereinhalb Jahre Mitglied im Bezirksausschuss - allerdings für die CSU. Als sie deren Parteibuch Ende 2018 zurückgab, legte sie auch ihr BA-Mandat nieder - anders als manch prominente Überläufer der vergangenen Monate. "Das war für mich konsequent", sagt sie. Dass Cockrell nun für die Grünen antritt und mit Listenplatz drei ein Mandat sicher hat, dürfte vor allem Robert Brannekämper wurmen. Er war es, der die Vorsitzende einer Engl-schalkinger Bau-Bürgerinitiative 2013 zur CSU gelotst hatte. Gut vertragen haben sich die zwei aber offenbar nicht. Nach ihrem Austritt aus der CSU sprach Cockrell von zu viel "Machtkalkül".

Das Verhältnis der beiden könnte mit darüber entscheiden, ob die schwarz-grüne Kooperation fortgesetzt wird. CSU-Fraktionssprecher Xaver Finkenzeller kann sich das grundsätzlich vorstellen, ebenso wie eine schwarz-rote Zusammenarbeit. "Es kommt stark auf das Personaltableau an." Die CSU hat die Parole ausgegeben, ihre 15 Sitze im 35-köpfigen BA zu halten. Der Trend laufe aber gerade zugunsten der Grünen, sagt Finkenzeller.

(Foto: SZ)

Besonders misslich ist das für die SPD. 2008 hatte sie im BA noch 13 Sitze, genauso viele wie die CSU. 2014 waren es nur zehn. Und diesmal? "Es muss mindestens so bleiben", sagt Fraktionssprecherin Karin Vetterle. Es klingt eher nach Wunsch als nach Prognose. "Ich weiß gar nicht, was die Grünen anderes machen, aber sie sind lauter", urteilt sie. Die Errungenschaften dagegen, die die SPD erkämpft habe, würden als selbstverständlich angesehen. "Das einzige, was man da machen kann, ist, mit den Leuten reden", sagt Vetterle. Die Partei müsse sichtbarer werden. Heißt für die Listenführerin: Infostände jeden Samstag, "außer es rengt Schuastabuam". Einfach wird es nicht für die Sozialdemokraten. Denn zusätzlich haben bewährte Kräfte aus der BA-Fraktion auf eine neue Kandidatur verzichtet, und Vetterle bewirbt sich parallel ebenfalls für den Stadtrat. Listenplatz 26 hat sie ergattert. Falls das reicht, will sie - zumindest mittelfristig - ihren Schwerpunkt verlagern.

Nicola Holtmann hat sich genauso entschieden, nur dass ihre Listenplatzierungen das auch widerspiegeln. Die Sprecherin der Fraktion von ÖDP und David contra Goliath im BA verfolgt ebenfalls eine Doppelkandidatur: Platz drei auf der Stadtratsliste, Platz neun für den Bezirksausschuss.

Die FDP wiederum ist ziemlich mit sich selbst beschäftigt und im Wahlkampf bisher wenig sichtbar. Ihr Kreisvorsitzender Manfred Krönauer hatte seiner Partei im Frühjahr 2018 nach heftigen Kontroversen den Rücken gekehrt - "ernüchtert und persönlich tief enttäuscht von den derzeitigen Parteiverantwortlichen".

Fazit: der Platzhirsch CSU in der Defensive, die Grünen im Aufwind, die drei anderen Parteien im personellen Umbruch. Und dann sind da noch zwei Parteien, die erstmals in Bogenhausen zur BA-Wahl antreten wollen: die AfD, deren Kandidaten bisher nicht bekannt sind, und die Freien Wähler, deren Listenführer Martin Blasi sagt, man wolle vor allem den Anwohnern östlich der S-Bahn-Linie "eine Stimme geben". Es ist also alles offen vor der Bezirksausschuss-Wahl. Angenommen, CSU und SPD schrumpfen ein bisschen, respektive ein bisschen stärker, und die Grünen legen zu, dann werden drei mittelgroße und zwei bis vier kleine Gruppierungen sich auf eine - womöglich neue - BA-Spitze einigen müssen. Und mit der Sacharbeit wird es auch nicht einfacher werden in Bogenhausen.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): CSU: 1. Robert Brannekämper, 2. Xaver Finkenzeller, 3. Sabine Geissler. SPD: 1. Karin Vetterle, 2. Marko Poggenpohl, 3. Susanne Weber. Grüne: 1. Angelika Pilz-Strasser, 2. Andreas Baier, 3. Petra Cockrell. FDP: 1. Berndt Hirsch, 2. Patricia Riekel, 3. Mahmut Türker. ÖDP/DacG: 1. Johann Peter Fenzl, 2. David Greer, 3. Martin Düchs. Freie Wähler: 1.-3. Martin Blasi.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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