Kommunalwahl in Berg am Laim:Auf dem Weg nach oben

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Berg am Laim verändert sein Gesicht, nicht nur im Werksviertel, wo das Riesenrad als Platzhalter für den geplanten Konzertsaal fungiert. Auch sonst wollen die Investoren immer höher hinaus. (Foto: Stephan Rumpf)

Durch das gerade entstehende Werksviertel samt Konzertsaal rückt das Viertel aus seiner Randlage ein Stück weit ins Zentrum. Daraus ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen. Neue Wohnungen und Arbeitsplätze machen den Verkehr zum großen Problem

Von Renate Winkler-Schlang

Vor der Kommunalwahl 2014 konnte man Berg am Laim als ein armes, bescheidenes Viertel charakterisieren - immerhin mit Potenzial. Seitdem hat sich viel getan. Investoren und Grundeigentümer nutzen längst die Gunst der Lage. Das früher oft verkannte Berg am Laim ist nun in weiten Teilen gefühlte Innenstadt. Das gilt vor allem fürs angesagte Werksviertel. Aus der Partymeile hinter dem Ostbahnhof wurde ein hippes Entwicklungsgebiet. "Fack ju Göhte" und "Amelie": Dort lockte Münchens erste eigene Musical-Bühne. Der neue Konzertsaal wird weiteres kulturbeflissenes Publikum anziehen. Einstweilen dreht sich auf der Fläche das Riesenrad als Platzhalter und als blinkendes, weithin sichtbares, sympathisches Wahrzeichen Berg am Laims.

Die Fakten zum Werksviertel, das sogar als Baustelle mit noch unfertigem "Knödelplatz" ein Besuchermagnet ist: Das Gebiet umfasst rund 39 Hektar, 29 werden bebaut, fast vier werden Freiflächen. Auf zwei Hektar entsteht der Werksviertel-Park, fünf Hektar braucht man für Verkehrsflächen. Am Ende wird es rund 7000 Arbeitsplätze geben, in den 1150 neuen Wohnungen werden circa 3000 Münchner leben. Diese bekommen etwa eine Grundschule und einen Jugendtreff.

Das Spezielle am Werksviertel ist, dass die Eigentümer, allen voran der Pfanni-Erbe Werner Eckart, sich bemüht haben, nicht tabula rasa zu machen, sondern Relikte der früheren Nutzung geschickt einzubauen ins Konzept, zu dem handverlesene Mieter für die Lokale, die Läden und Freizeitangebote gehören. Da merkt man die Liebe der Eigentümer zum Projekt. Das kommt an. Angebote für Wohnen, Arbeiten und Freizeit sollen zukunftsgerecht verzahnt werden - mit gutem Anschluss ans Nahverkehrsnetz, schließlich wird der Schwerpunkt der zweiten Stammstrecke am Knoten Ostbahnhof inzwischen von Berg am Laim her gedacht. Doch der Bezirksausschuss mahnt bei der Stadt dringend ein Verkehrskonzept an, denn es wird auch dort Autofahrer geben - auch das Werksviertel ist keine Insel.

Verkehr - er ist in Berg am Laim das größte Problem. Die Diskussionen im Bezirksausschuss waren spannend und oft spannungsgeladen. Da gab es die Idee, den Mittleren Ring mit einem Deckel zu versehen - was den schönen Vorteil hätte, dass Flächen für soziale Infrastruktur und Grün entstehen könnten, die man inzwischen oft vergeblich sucht. Für ein Seniorenheim beispielsweise ist der Bedarf vom Sozialreferat anerkannt, einen Bauplatz kann die Behörde aber nicht bieten. Unrealistisch ist der Deckel auf dem Verkehrsmoloch trotzdem.

SPD und Grüne konnten sich erwärmen für den Plan, die Autospuren auf der Berg-am-Laim-Straße zu halbieren. Bei deren Bau in den Zeiten der autogerechten Stadt hatte Berg am Laim einst einen Großteil seines historischen Kerns eingebüßt. Nun meinen die Antragsteller, es sei Zeit, dass die Radler mehr Fläche bekommen. Die CSU hält jede Einschränkung für Autofahrer für illusorisch, solange der MVV nicht besser ausgebaut wird. Die CSU brachte als Abhilfe gegen Lärm und Feinstaub einen Tunnel ins Spiel. Aussicht auf Realisierung: gleich Null. Letztlich war auch der Antrag des scheidenden Vorsitzenden Robert Kulzer (SPD), in Berg am Laim den Klimanotstand auszurufen, zuvorderst ein Weckruf an Autofahrer. Das bleibt nun so etwas wie Kulzers Vermächtnis.

Dieser hatte auch die erste Stadtteilkonferenz dem Verkehr gewidmet. Die Bürger machten ihrem Ärger Luft - und viele Verbesserungsvorschläge. Der große Wurf aber muss dem neuen Bezirksausschuss gelingen. Kulzer hatte gedacht, eine Lösung für den Berufsverkehr-Dauerstau von Nord nach Süd könnte ein neuer Bahntunnel auf Höhe der St.-Veit-Straße sein, die CSU setzte auf Verbreiterung des bestehenden unter dem S-Bahnhof. Die Stadt erteilte beiden Vorschlägen eine Absage. Die Begründung hier wie dort: Der Nutzen wäre gering, denn neue oder attraktivere Straßen ziehen unweigerlich nur Verkehr von anderen überlasteten Routen ab.

Weiter gebaut aber wird dennoch: vor allem in die Höhe. "Baumkirchen Mitte" ist bald fertig. Auf den Flächen der früheren Pharmafirma Temmler ragen Baukräne für die Macherei, einen Bürostandort, in die Höhe. Der Acker an der Truderinger Straße wird mit Wohnungen vollgestellt, der beherzte Protest der Bürgerinitiative "Lebenswertes Berg am Laim" wird wenig ausrichten können. Die Stadtwerke planen am U-Bahnof Michaelibad, auch dort steht ein vorgesehener Hochpunkt in der Kritik. Und so ändert der Stadtteil immer schneller sein Gesicht. Würde die Maikäfersiedlung erst jetzt saniert, entstünden dort sicher noch viel höhere Wohnblöcke.

(Foto: SZ)

Die Arbeit wird auch dem neuen Bezirksausschuss nicht ausgehen. Das Kulturbürgerhaus, die Grundschule St.-Veit-Straße und der Schulcampus Fehwiesenstraße mit erweiterter Realschule, sanierter Sportanlage und Schulschwimmbad werden kommen. Für die Freilegung des Hachinger Bachs wird er kämpfen müssen wie all die Vorgängergremien, ebenso gegen die Verödung des Stadtteilzentrums und den Wandel der Berg-am-Laim-Straße zur Meile der Wettbüros und Spielhallen, ebenso für ein Altenheim, für die Nutzung des leerstehenden, denkmalgeschützten Mahlerhauses oder die Sanierung der Bildstöcke des Freiluft-Kreuzwegs von St. Michael. Kritisch begleiten muss er das Kombiprojekt Griechische Schule/Erweiterung des Michaeligymnasiums. Man darf gespannt sein, ob diese Kooperation klappt.

Doch auch der neue Bezirksausschuss wird sich in puncto Zusammenhalt und Bürgersinn verlassen können auf den bewährten Bürgerkreis, das aus dem Städtebauentwicklungsprojekt Soziale Stadt entstandene Stadtteilforum und viele andere engagierte Menschen - von den Nachbarschaftstreffs bis zu denen, die Flüchtlingen helfen, vom Maibaumverein bis zu den Kirchengemeinden, vom Sportverein bis zur Tafel. Denn überdurchschnittlich viele Arme gibt es im Viertel immer noch.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): SPD: Daniela Schäfer, Daniel Mandic, Marisa Scherini; CSU: Fabian Ewald, Johann Kott, Angelika Buckenauer; Grüne: Brigitte Schulz, Hubert Kragler, Alexandra Nürnberger; FW/ÖDP: Wolfgang Laufs, Stefan Hofmeir, Kathrin Eva Schmid; FDP: Albrecht Dorsel-Kulpe, Gernot Krobath, Giuseppe Sinatra

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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