Aus für zweite Stammstrecke:Seehofers Nein führt zu Krach in der CSU

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Ministerpräsident Seehofer gerät unter Druck: In der CSU formiert sich Widerstand gegen seinen Plan, die zweite Stammstrecke in München nicht zu bauen. Politiker aus der Region werfen ihrem Parteichef gar wahlkampftaktische Überlegungen vor.

Marco Völklein, Wolfgang Eitler und Christian Krügel

Ministerpräsident Horst Seehofer hat mit seinem eigenmächtig verkündeten Aus für einen zweiten S-Bahn-Tunnel einen Krach in der eigenen Partei ausgelöst. Während die Münchner CSU schon laut über Alternativen zur zweiten Stammstrecke nachdenkt, formiert sich in der oberbayerischen CSU Widerstand. Landräte und Abgeordnete aus der Region fordern vom Parteichef, weiterzuverhandeln - und wahlkampftaktische Überlegungen bleiben zu lassen.

Gedrängel am Bahnsteig - ein gewohnter Anblick für viele Pendler in München. Eine zweite Stammstrecke soll Entlastung bringen. Doch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) will das Projekt nicht finanzieren. (Foto: Stephan Rumpf)

"Es hat alle in der Region überrascht und entsetzt, dass hier plötzlich das Aus verkündet wird", sagte Fürstenfeldbrucks Landrat Thomas Karmasin (CSU), der auch Sprecher der Landräte im MVV ist, zur SZ. Nach jahrzehntelanger Planung könne man ein Projekt, das für die Entwicklung der Region lebensnotwendig ist, nicht einfach begraben, nur weil aus parteipolitischen Gründen die Finanzierung nicht vorankommt.

Sein Dachauer Landratskollege Hansjörg Christmann wirft Seehofer voreiliges Handeln vor: "Diese Erklärung hat er zu schnell abgegeben", sagte der CSU-Politiker. Thomas Karmasin spricht von einer "Verkündung ex cathedra, die sehr schmerzt".

Tatsächlich hat Seehofer die Entscheidung zum Aus ohne Abstimmung mit der CSU Oberbayern getroffen. Ursprünglich war für den kommenden Dienstag ein Treffen mit Seehofer und wichtigen CSU-Leuten aus München und dem Umland geplant, bei dem das weitere Vorgehen besprochen werden sollte. Dann allerdings verkündete Seehofer am Dienstag überraschend das Aus für den zweiten Tunnel - "da ist uns die Hutschnur geplatzt", sagte ein CSU-Mandatsträger.

Besonders sauer sind die Politiker aus dem Umland auf ihre Münchner Parteifreunde. Ohne der "nur halbherzigen Positionierung der Münchner CSU zum zweiten Tunnel" hätte Seehofer mit Sicherheit seine Entscheidung nicht so leichtfertig getroffen, sagte Karmasin.

Es gebe einen Dissens zwischen den Bezirksverbänden Oberbayern und München, den er auch austragen wolle. "Wir werden in den Parteigremien sehr viel zu besprechen haben", so Karmasin. Münchner CSU-Vertreter hatten immer wieder durchblicken lassen, dass sie nicht unbedingt am Tunnelbau festhalten wollen. Für Freitag hatten sie bereits zu einer Pressekonferenz über einen "Plan B" eingeladen, die Veranstaltung am Donnerstagnachmittag aber wieder abgesagt.

"Die S-Bahn München ist die Cash Cow"

Christmann und Karmasin kündigten an, dass die Landräte direkt bei Seehofer vorstellig werden. Zudem fordern sie, dass die Bahn sich stärker an der Finanzierung beteiligen soll. "Die S-Bahn München ist die Cash Cow für die gesamte Bahn AG - da muss mehr für die zweite Stammstrecke kommen", betonte Karmasin.

Landtags-Vize Reinhold Bocklet, der für die CSU den Stimmkreis Fürstenfeldbruck vertritt, forderte ein "Festhalten an dem Projekt". Man müsse die zweite Röhre zumindest "bis zur Baureife vorantreiben" - und parallel oder anschließend weiter um die Finanzierung ringen.

Auch MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag warnt vor einem voreiligen Nein zur geplanten zweiten Stammstrecke. Damit stünden auch andere Ausbaumaßnahmen, etwa bei der S 4-West oder der Erdinger Ringschluss, zur Disposition, sagte er im SZ-Interview. Durch ein Aus könnte sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung verändern.

Ähnlich sieht es das bayerische Verkehrsministerium: "Die Maßnahmen bauen auf der zweiten Stammstrecke auf", erklärte eine Sprecherin. Beim Ausbau der Außenäste stamme ein wesentlicher Teil des errechneten Nutzens aus dem zweiten Tunnel. "Wird das Kernstück endgültig aufgegeben, müsste das gesamte Bahnknotenkonzept völlig neu überprüft werden."

© SZ vom 20.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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