SZenario:Die starken Augustinerinnen

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Lesung über und mit Augustiner: Franziska Eder vom BR, Catherine Demeter, Vorsitzende der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, und Franziska Ball (von links). (Foto: Stephan Rumpf)

Vom Frauenleben unter Brauern: Stiftungschefin Catherine Demeter stellt bei der Bücherschau den Roman "Thereses Töchter" vor.

Von Franz Kotteder

Die zahlreichen Augustiner-Fans in der Stadt trauen ihrer Brauerei bekanntlich fast alles und nur das Beste zu. Aber dass sie in der Vergangenheit zur Speerspitze der Frauenbewegung zählte? Mancher altehrwürdige Biertrinker mag da verblüfft sein, aber tatsächlich gibt es doch eine Reihe überraschender Verbindungen, etwa zum 1894 gegründeten Verein für Fraueninteressen, der damals noch Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau hieß. Nicht zuletzt haben immer wieder Frauen die Geschicke der Brauerei gelenkt, seit das Freisinger Wirts- und Brauer-Ehepaar Anton und Therese Wagner 1829 die Münchner Brauerei erwarben. Nach dem frühen Tod Antons führte von 1844 an seine Witwe das Regiment im Brauhaus, zum Teil gegen größte Widerstände.

Die Geschichte dahinter wird in dem historischen Tatsachenroman "Thereses Töchter" (Volk Verlag, 568 Seiten) erzählt, und an diesem Abend im Augustiner-Stammhaus an der Neuhauser Straße geht es um das Buch und die vielen Frauen, die darin eine Rolle spielen. "Wir hätten den Saal zweimal füllen können", sagt Friederike Eickelschulte von der Münchner Bücherschau, "die Eintrittskarten waren im Nu weg." Jetzt sitzen gut 90 Leute im Saal und hören den drei Frauen auf dem Podium zu. Franziska Eder vom Bayerischen Rundfunk interviewt Catherine Demeter, die Vorständin der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, der etwas über 50 Prozent von Augustiner gehören. Die Schauspielerin und Autorin Franziska Ball liest dazu einige, wenige Ausschnitte aus dem Buch.

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt", zitierte zum Einstieg Franziska Eder das Grundgesetz von 1949, das lediglich von einem Bundesland abgelehnt worden war, "es möchte heute Abend anonym bleiben". Jeder im Saal wusste natürlich, dass es sich damals um Bayern handelte. Umso erstaunlicher, dass mehr als 100 Jahre zuvor Therese Wagner es gewagt hatte, die Brauerei nach dem Tod ihres Mannes selbst zu führen. "Die Wagners waren damals schon ein sehr modernes Ehepaar, das sich hervorragend ergänzte, und sie eine sehr gute Geschäftsfrau und ein sehr kritischer Geist." Demeter, die aus einer Seitenlinie der Brauerfamilie Wagner kommt, hat die Familiengeschichte gründlich aufgearbeitet und den Roman angeregt und befördert. Wer die Autorin mit dem Pseudonym Marta Haberland in Wirklichkeit ist, wird auch an diesem Abend nicht verraten. "Sie möchte bescheiden im Hintergrund bleiben", sagt Catherine Demeter nur.

Es könnte theoretisch also auch ein Martin sein und keine Marta. Andererseits ist das Frauenthema wirklich sehr beherrschend. Die Geringschätzung und die Feindseligkeit, die der Witwe in Münchens Brauerkreisen entgegenschlugen, waren gewaltig. Offenbar waren die Bierbarone der Stadt auch rechte Büffel, wobei keiner von ihnen wohl den Mut und die Kraft der Wagnerin besessen hat. Denn die setzte sich letztlich durch, gegen erhebliche Widerstände, und zeigte den engstirnigen Machos wenn schon nicht, wo der Bartel den Most holt, dafür aber doch, wo die Therese das Bier braut und wie sie die Oberhand gewinnt. Zum Beispiel, als sie ihre Konkurrenten zum festlichen Dinner ins Augustiner-Stammhaus einlädt und die - wie zum Hohn - ihre Ehefrauen schicken, weil sich's ja doch nur um das Kaffeekränzchen von ein paar gspinnerten Weibern handeln kann. Therese Wagner nutzt die Gunst der Stunde und schmiedet Allianzen mit den Brauersgattinnen.

Der erste Schluck Augustiner ist eine Wohltat, der zweite eine Wohltätigkeit

Gegen schlaue Frauen hat ein normaler Trampel keine Chance, aber der Fortschritt ist trotzdem eine zähe Angelegenheit. Die Wagner-Töchter und Enkelinnen kannten das. Sophie von Trentini, eine von ihnen, gründete den Verein für Fraueninteressen mit und war eine frühe Vorkämpferin der Emanzipation in Bayern. Viel später dann, 1981, übernahm Edith von Haberland-Wagner, von Haus aus eine Künstlernatur, im zarten Alter von 83 Jahren an der Spitze einer Erbengemeinschaft die Brauerei. Sie gründete, weil sie kinderlos war, die Stiftung, die bis heute den Bestand von Augustiner als selbstständige Brauerei garantiert und daneben zahlreiche Aufgaben von sozialen Diensten bis zur Denkmalpflege erfüllt. Weshalb Demeter heute sagen kann: "Der erste Schluck Augustiner ist eine Wohltat, der zweite eine Wohltätigkeit."

Guter Spruch. Demeter verrät dann auch, dass sie sich ganz andere Sprüche anhören musste, als sie 2013 zur Stiftungsvorständin gewählt worden war. Denn die Münchner Brauer musste man auch damals noch nicht gendern, es handelte sich ja ausschließlich um einen reinen Männer-Club, wie seit Urzeiten, bis Therese Wagner gekommen war. "Was? Sie als Frau?", war die erste Reaktion eines Brauereichefs, erzählt sie lachend: "Und dann noch als Österreicherin?" Ein anderes Mal beim Brauertreffen wollte ihr einer der Herren beim Eintreten seinen Hut überreichen - er hielt sie wohl für die Garderobenfrau. Wie reagiert man darauf? Dezent: "Ich habe ihn halt einfach nicht genommen."

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