Verkehr im Münchner Westen:Angst vor dem Dauerstau

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Freiham, im Bild die Helmut-Schmidt-Allee, ist zwar autoarm geplant - Staus gibt es dennoch. Die Aubinger fürchten nun, dass die Verkehrslawine auch ihren Dorfkern überschwemmt, wenn weitere Menschen in den neuen Stadtteil nebenan ziehen. (Foto: Stephan Rumpf)

Fast die Hälfte aller Wege werden in Aubing, Lochhausen und Langwied mit dem Auto zurückgelegt. Ein Gutachten empfiehlt jetzt die Beschränkung von Zufahrten, den Einsatz von mehr Express-Bussen und S-Bahnen und den Ausbau von Radrouten.

Von Ellen Draxel

Aubings Bürger und Bürgerinnen befürchten, langfristig im Verkehr zu ersticken. Optimistisch, dass eine Verkehrswende in ihrem Stadtbezirk gelingen wird, sind nur wenige. Und kaum einer bewertet das derzeitige Angebot im öffentlichen Nahverkehr als attraktive Alternative zum Auto. Denn bereits heute ist die Bodenseestraße morgens und abends regelmäßig verstopft, die S-Bahnen sind überfüllt. Zugleich entstehen überall Neubaugebiete, allein nach Freiham werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren bis zu 30 000 Menschen ziehen. Prognostiziert sind bis 2035 eine Beinahe-Verdopplung der Einwohnerzahl und 80 Prozent mehr Arbeitsplätze.

Die Stadt München will gegensteuern. Vor zwei Jahren stellte die Verwaltung deshalb erstmals ein von Bürgern und Lokalpolitikern seit langem gefordertes Verkehrskonzept vor. Das Ziel: Fahrten zu reduzieren, die derzeit noch hauptsächlich mit dem Auto zurückgelegt werden, was im Stadtbezirk fast die Hälfte der Gesamtverkehrsmenge ausmacht, und stattdessen öffentliche Verkehrsmittel und den Radverkehr stärker in den Fokus zu nehmen. Wie das konkret gelingen soll, hat das Planungsbüro Inovaplan erarbeitet.

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Da ist zum einen das Handlungsfeld KFZ-Verkehr. Die Gutachter empfehlen eine Sperrung der Eichenauer Straße für den Autoverkehr, um den Aubinger Ortskern zu entlasten, flächendeckend Tempo 30 und eine Parkraumbewirtschaftung. Autofahren soll unattraktiv werden, nicht nur durch Geschwindigkeitsbeschränkungen und Parkgebühren, sondern möglicherweise auch mittels Zufahrtsbeschränkungen und Straßenbenutzungsgebühren. Anfangs hatte man noch eine Anbindung der Lochhausener Straße an die Stuttgarter Autobahn (A8) auf der Agenda, diese Strecke ist wegen der Wegeführung durch landschaftlich geschütztes Gebiet aber mittlerweile ebenso vom Tisch wie eine Unterführung zwischen der Alto- und Lochhausener Straße.

Einen Zehn-Minuten-Takt für die S-Bahn-Linien S3, S4 und S8 empfiehlt das Planungsbüro Inovaplan, um Autofahrer im Münchner Westen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Geplant ist aber nur ein 15-Minuten-Takt. (Foto: Stephan Rumpf)

Beim zweiten Thema, dem öffentlichen Nahverkehr, schlägt Inovaplan einen Zehn-Minuten-Takt auf den S-Bahn-Linien S3, S4 und S8 vor statt des bislang geplanten 15-Minuten-Taktes. Zusätzlich soll der Busverkehr ausgebaut werden, so der Rat der Profis, im Idealfall mit separaten Busspuren. "Mit den S-Bahn-Linien haben wir eigentlich eine sehr gute Anbindung an die Innenstadt, nur die Tangentialen funktionieren beim öffentlichen Nahverkehr nicht", erläuterte Sascha Klein von Inovaplan rund 150 interessierten Bürgern bei einem Infoabend. Weshalb er auch eine "attraktive" Verbindung nach Obermenzing anregt. Generell, resümiert Klein, werde ein "Paradigmenwechsel" gebraucht - flächendeckendes Car-Sharing zum Beispiel statt privatem Autobesitz. Und dazu ein "Systemwechsel" in Form von reizvollen Angeboten bei S- und U-Bahn. Dass die U5 bis Freiham frühestens 2035 nutzbar sein wird, thematisiert Klein an diesem Abend nicht.

Und der Radverkehr? Definiert wurden sechs Vorrangrouten mit sicherer Infrastruktur quer durch den Stadtbezirk, ergänzt durch Nebenstrecken und ein Freizeitnetz. Vorgesehen ist zudem eine Radschnellverbindung nach Fürstenfeldbruck.

Doch wie schnell geht all das? "Die Bebauung in Freiham kann erst weitergehen, wenn auch die öffentlichen Angebote da sind", forderte Bezirksausschuss-Chef Sebastian Kriesel (CSU). Und die U-Bahn gehöre da dazu. "Die Entwicklung", betonte er unter Beifallsbekundungen der Aubinger, "muss bedarfsgerecht sein".

750 Unterschriften gegen eine Auto-Verbindung vom neuen Stadtteil Freiham ins dörfliche Aubing haben (von links) Andreas Schweinzer und Verena Hollstein an Stadtbaurätin Elisabeth Merk und Vertreter von Planungs- und Mobilitätsreferat übergeben. (Foto: privat)

Dass sie keine Verbindung für den Autoverkehr zwischen Freiham und Aubing wollen, weil diese Strecke Verkehr anziehe, haben zahlreiche Aubinger schon vor Monaten klar gemacht. 450 Kommentare gab es bei einer Online-Beteiligung zum zunächst virtuell präsentierten Verkehrskonzept im Januar 2022 - dieser Punkt war der am häufigsten formulierte, den einige Aubinger mit der Übergabe einer 750 Namen zählenden Unterschriftenliste an Stadtbaurätin Elisabeth Merk jetzt unterstrichen haben. "Aubing", kritisierte Aktivistin Verena Hollstein am Infoabend, "wird mit dem Autoverkehr nicht klar kommen, jede kleine Straße wird zu sein".

Auf Rang zwei folgt die Forderung nach einem dichteren Busnetz und besserem Takt. Das Expressbus-System und das Radnetz seien "zu schaffen", erklärte Robert Adam vom Mobilitätsreferat am Infoabend. Und für die U-Bahn sei die Stadt mit dem Vorhaltebauwerk in Freiham ja bereits in Vorleistung gegangen. Aber die Verbindung zwischen Freiham und Aubing für den Individualverkehr zu verbieten, hält er persönlich nicht für möglich. "Jede Mühe, Freiham möglichst autoarm zu bauen, wird nicht verhindern, dass es Menschen gibt, die ihr Fahrzeug nutzen."

Im Herbst sollen dem Stadtrat zwei Straßenvarianten, bekannt als Varianten 6 und 7, zur Entscheidung vorgelegt werden. Beide basieren auf einer neu zu bauenden Trasse, die von der Eichenauer Straße quer durch eine potenzielle, zwischen Autobahn und Stadtrand situierte Neubausiedlung mit 1000 Wohnungen direkt in den Germeringer Weg und die Aubinger Allee in Freiham-Nord mündet. Danach will das Mobilitätsreferat planerisch "den Sack zumachen". Eine weitere Bürgerbeteiligung, wie beim Infoabend von Stadtrat Fritz Roth (FDP) gefordert, braucht es aus Verwaltungssicht nicht mehr.

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