Lesung:Ein Wort steckt das andere an

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Schreibt über "herzschatten" und "luftröhren": der Münchner Lyriker, Dramatiker, Romanautor Albert Ostermaier. (Foto: Kunstverlust e.V. SV)

Albert Ostermaier stellt seinen Gedichtband "Teer", der unter dem Eindruck der Pandemie entstanden ist, im Lyrik Kabinett München vor.

Von Antje Weber

"Was spricht dich / gesund", beginnt eines der Gedichte in diesem Band, "ein wort / steckt das andere an", so geht es weiter, bis das "in anführungszeichen" lebende lyrische Ich auf die Quarantäne wartet. Albert Ostermaier macht in seinem neuen Lyrikband "Teer" (Suhrkamp) kein Hehl daraus, dass er unter dem Eindruck der Pandemie entstanden ist; nicht nur Zwischenüberschriften wie "herzschatten", "lungen" oder "luftröhren" über einzelnen Abschnitten machen es überdeutlich. Es sind Gedichte, die den Schmerz ebenso spiegeln wie anhaltende Lebenslust: "ich atme in die armbeuge aber / ich lass mich nicht brechen".

Ostermaiers Band mit Gedichten der vergangenen fünf, doch insbesondere zwei Jahre ist im besten Sinne Zeitgeist. Er überführt ein Lebensgefühl zwischen Isolation, Sehnsucht und Aufbegehren in einen eingängigen Sound. Der bewusst schlichte, dabei durchaus ergreifende Ton, in dem diese Texte Leben, Lieben, Schreiben amalgamieren, erinnert in seinen besten Momenten - zum Beispiel dem titelgebenden Gedicht "Teer" - an einen Autor wie Thomas Brasch. Mehr über sein Verfahren, seine Vorbilder wird der Münchner Lyriker, Dramatiker, Romanautor sicherlich bei seiner Lesung im Lyrik Kabinett - pandemiebedingt verschoben, wie passend- im Gespräch mit SZ-Redakteurin Marie Schmidt erzählen.

Hamlet spielt im Supermarkt

Ostermaiers Liebe zum Theater, zum Film, zur Literatur wie auch zum Fußball wird dabei nicht nur in vielen Zitaten sichtbar, sondern in einem Gedicht wie "spielplan" auch explizit zum Thema: Da begegnen die Leser Hamlet im Supermarkt, Jago hustet über die Schulter, Macbeth erdolcht einen Kunden an der Fleischtheke, und Malvolio beharrt auf der Versammungsfreiheit - sie alle sind "vertrieben in / kurzarbeit aus den theatern" und müssen sich neue Rollen suchen. In einem anderen Gedicht schreien Fußballfans - Ostermaier ist selbst Torwart der deutschen Autorennationalmannschaft - in den eigenen vier Wänden "Tor", machen die Welle und reißen die Arme in die Höhe.

Das auf sich selbst zurückgeworfene Ich lebt jedoch nicht im luftleeren Raum. Im Gedicht "vor ceuta" erinnert es sich daran, dass es noch Menschen mit anderen Problemen gibt, zum Beispiel Flüchtende an den Rändern Europas. Es befiehlt sich selbst: "be happy zieh die schläuche aus / deinem selbstmitleid". Und spricht wohl wirklich jedem und jeder aus der Seele, wenn es in einem Gedicht über den Winter heißt: "wir / gehen uns auf die ketten / und können uns nicht / mehr rückverfolgen". Ja, "erschöpft / warten wir auf wärmere / winde".

Albert Ostermaier: Teer, Lesung am Donnerstag, 3. März, 19 Uhr, Lyrik Kabinett , Anmeldung über info@lyrik-kabinett.de

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