Adventsstimmung:Mehr Blingbling als Weihnacht

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Wo ist die Geschmackspolizei, wenn man sie braucht? Beim Dekorieren zeigen sich besonders die großen Hotels der Stadt kreativ - samt Kristall-Christbaum und Plüschtierherde

Von Franz Kotteder

Advent, Advent: In der Vorweihnachtszeit ist merkwürdigerweise vieles erlaubt, was sonst von der Geschmackspolizei streng verboten wird. Ja, man könnte fast von einem stark gestiegenen Kitsch-Aufkommen sprechen. Fast hat man den Eindruck, Dekorateure aller Arten warten das ganze Jahr über nur darauf, sich von Ende Oktober an einen ganzen Monat lang einmal so richtig ausleben zu dürfen. Und besonders deutlich kann man das in den großen Hotels dieser Stadt beobachten.

Im Bayerischen Hof soll die jüngst eröffnete Polar Bar Winterstimmung verbreiten. (Foto: Robert Haas)

Da wäre zum Beispiel das Vier Jahreszeiten an der Maximilianstraße. Direkt vor dem Haupteingang finden sich unter einer größeren Fuhre Tannenzweige eine Glühweinbude und eine Jägermeister-Bar, wobei es sich in beiden Fällen eigentlich um eher prollige Getränke handeln, die nicht so ganz zu einem Fünfsterne-Haus zu passen scheinen. Drumherum drapiert sind die ausrangierten Gondeln eines Skilifts, in denen sich die fröhlichen Zecher aufwärmen können. Sieht man genauer hin, stellt man fest: Das Ganze ist eine Leihgabe vom Schwesterhotel in Berchtesgaden.

Der Baum im Hotel Vier Jahreszeiten ist so groß, dass die Deko gar nicht sofort auffällt: Er ist mit 101 Steiff-Stofftieren geschmückt. (Foto: Stephan Rumpf)

Drinnen im Haus entdeckt man in der zentralen Halle ein weiteres Schmuckstück. Eine prächtige, vier Meter hohe Tanne, in der sich 101 Stofftiere der Marke Steiff verbergen, und alle passen irgendwie zum Thema Wald. Vom Eichhörnchen bis zur Mini-Wildsau hat der Berliner Designer Guido Frinken mit seiner Agentur Officefrinken alles an Getier untergebracht, was sich der weihnachtsselige Auswärtige zwischen Florida, Dubai oder Nischni Nowgorod nur so wünschen kann. Jedenfalls kann es nichts schaden, wenn sich die Gäste ihre kindliche Seele ein bisschen bewahrt haben.

Im Charles Hotel präsentiert man den Gästen Kristallglas - allerdings ohne Champagner, sondern als Baum. (Foto: Stephan Rumpf)

In den vergangenen Jahren hatte das Vier Jahreszeiten beim Christbaumschmücken noch mit Swarovski kooperiert und allerlei Blingbling an die Zweige gehängt. Das macht in diesem Jahr erstmals die Konkurrenz von Rocco Forte The Charles an der Sophienstraße. Dort baut man allerdings auf das Traditionshaus Baccarat, das seit 1764 Kristalle herstellt und auch die Kugeln für den fünf Meter hohen Baum im Foyer lieferte - und die Teegläser für den täglichen Afternoon Tea in der Lounge.

Recht dezent ist der Baum im Luxushotel Mandarin Oriental - vor allem schlichte rote Kugeln hängen an der Tanne. Vor drei Jahren hatte man noch flauschige Pelzfluffis der italienischen Luxusmarke Fendi an den Zweigen hängen und war deshalb ordentlich von Tierschützern zusammengestaucht worden. Seitdem gilt die Devise: Sicher ist sicher!

Darf's ein Krug Champagner sein? So stellt man sich eine stilvolle Vorweihnachtszeit im Sofitel Bayerpost am Hauptbahnhof vor. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch im Sofitel Bayerpost am Hauptbahnhof ist dem Nikolaus wohl der Gaul respektive das Rentier durchgegangen. Da gibt es auf dem hoteleigenen Christkindlmarkt doch tatsächlich einen Champagner-Glühwein für 14 Euro im Mini-Bierkrug. Gerade so, als ob die Achtzigerjahre nie geendet haben und Helmut Dietl noch immer Stoff für eine weitere Kir-Royal-Folge bräuchte. Schampus mit Anis und Zimt würde dort zweifellos prächtig hineinpassen.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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