Schwabing:Die Partyzone am Elisabethmarkt ist "regelrecht explodiert"

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Über nächtliches Feiern beschweren sich Anwohner, deren Häuser dicht am Elisabethmarkt liegen. Über Müll am Morgen danach klagen die Händler. (Foto: Privat)

Bis zu hundert Personen treffen sich inzwischen jeden Abend auf dem Platz in Schwabing, erzählen Nachbarn und Marktleute. Sie fühlen sich von den Behörden "extrem allein gelassen".

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der Elisabethmarkt, tagsüber Wohlfühl-Oase für viele Schwabinger, hat sich zu einer nächtlichen Partymeile entwickelt. Bis vier Uhr in der Früh wird im Herzen Westschwabings gefeiert, der Alkohol fließt teilweise in Strömen, und unterschiedliche Musikrichtungen beschallen die Anwohner. Am nächsten Morgen müssen die Marktleute dann erst mal ein Großreinemachen veranstalten.

Gefeiert in Maßen wird seit Jahren auf dem Markt. Bislang allerdings trafen sich nur ein oder zwei Gruppen mit maximal zehn Leuten, vorwiegend Schüler aus dem benachbarten Gisela-Gymnasium, ab und zu mal freitags- oder samstagabends auf dem Gelände. Für die Nachbarn war das völlig in Ordnung, schließlich sind die Schüler auch Anlieger. Seit diesem Sommer aber hat die Feierwut eine neue Dimension erreicht. "Das, was in diesem Jahr passiert, ist eine echte Katastrophe", sagen Händler wie Anwohner. Die Partyzone sei vor allem im Juni "regelrecht explodiert". Und es werde "immer heftiger".

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Bis zu hundert Personen, erzählen Nachbarn und Marktleute, träfen sich inzwischen nicht nur am Wochenende, sondern jeden Abend auf dem Marktareal. Schüler seien nur ein kleiner Teil von ihnen, unter den heterogenen Gruppen fänden sich auch viele 25- bis 40-Jährige. Laut werde es bereits am frühen Abend. "Um acht Uhr Nachrichten zu schauen, das kann man vergessen", erzählt eine direkte Anliegerin, die in der Nordendstraße wohnt. "So richtig los" gehe es aber in der Regel um elf Uhr. Jede Gruppe bringe dann ihre eigene Musik mit, die verschiedenen Songs mischten sich zu einem unzumutbaren Lärm, der sich auf dem Marktgelände wie in einem Trichter fange und den Nachbarn in den Ohren dröhne. Im Laufe der Nacht werde außerdem noch gerne Fußball gespielt oder Flunkyball - ein Trinkspiel, bei dem es darum geht, Flaschen abzuwerfen. "Ein Höllenlärm", weiß die 45-Jährige aus eigener Erfahrung. Auch das eine oder andere Tänzchen auf den Markthäuschen oder wagemutige Sprünge von Dach zu Dach konnten die Anwohner schon beobachten.

Arbeiten gestaltet sich bei diesem Geräuschpegel schwierig, Schlafen erst recht. Bei den Nachbarn liegen daher mittlerweile "die Nerven blank". Wer nachts als Bewohner der Nordendstraße die Augen zu machen und Ruhe finden will, muss Ohrstöpsel tragen und die Fenster schließen - egal, wie heiß es in der Wohnung sein mag. Selbst im Hinterhof ist der Radau kaum leiser. Eine Anwohnerin hat ihren Schlafrhythmus bereits umzustellen versucht, um schon tief und fest zu schlafen, wenn es so richtig laut wird. Die 45-Jährige, die seit elf Jahren an der Ecke wohnt, plant ihre Freizeit inzwischen nach dem Lärm.

Wenn am nächsten Morgen die Marktleute kommen, finden sie überall Glasscherben, Zigarettenstummel, Müll. "Da sieht es um sechs Uhr aus wie im Kriegsgebiet", erzählt einer der Händler. Anstatt aufzubauen, müssen die Verkäufer erst mal aufräumen - und das nun fast jeden Tag.

Das Ärgerlichste für die Marktleute und Anwohner ist, dass sie sich von den Behörden "extrem allein gelassen fühlen". Die Polizei, erklären sie, habe betont, dass sie nur im Akutfall einschreiten könne. Und die Münchner Markthallen argumentierten, sie hätten keine Kapazitäten für dauerhafte Kontrollen. "Der private Sicherheitsdienst, den die Markthallen München für nächtliche Kontrolldienste beauftragt haben", bestätigt Kommunalreferentin Kristina Frank auf Anfrage, "ist wegen der großen Anzahl an feiernden Leuten auf die Unterstützung der Ordnungs- und Polizeibehörden angewiesen." Die Markthallen stünden inzwischen aber "im intensiven Austausch mit dem Kreisverwaltungsreferat und der Polizei, um geeignete Maßnahmen zu koordinieren". Auf jeden Fall müsse vermieden werden, dass sich die Partys auf den Interimsmarkt verlagerten, wenn kommendes Jahr die Umbaumaßnahmen auf dem Elisabethmarkt starteten.

"Das haben wir in ihrem Alter ja auch nicht anders gemacht"

25 Mal sind die Beamten der zuständigen Polizei-Inspektion Maxvorstadt in diesem Jahr auf den Markt gerufen worden, haben die Gruppen, weil der Ort kein Brennpunkt mit Problemgangs ist, lediglich ermahnt. Die Wahrnehmung der Polizei ist auch eine andere als die der Marktleute und Anwohner: Die Beamten sagen, sie hätten am Elisabethmarkt immer nur maximal 20 Personen angetroffen.

Und Akim? Mitarbeiter des Allgemeinen Konfliktmanagements in München, einer Konfliktlösungsstelle im Sozialreferat, haben sich auf Bitten der Markthallen bereits vergangenen Sommer eingeschaltet, die Konfliktparteien an einen Tisch geholt und eine Whatsapp-Gruppe gegründet, in der nun Anwohner und Schüler des Gisela-Gymnasiums vertreten sind. Wird es mal wieder zu laut, können sich die Nachbarn so direkt an die Jugendlichen wenden. Auch wenn damit nicht alle Partygänger erreicht werden, weil die Gruppen häufig wechseln und die Schüler nur wenige der anderen Feiernden kennen. Den Anliegern ist es wichtig zu betonen, dass sie das Engagement von Akim sehr schätzen, dass der Austausch mit den Schülern gut funktioniere und dass sie die jungen Menschen auf keinen Fall vom Elisabethplatz vertreiben wollen. "Dort zu sein und Bier zu trinken ist das gute Recht der jungen Leute, das haben wir in ihrem Alter ja auch nicht anders gemacht", sagt die 45-jährige Nachbarin. "Aber das Miteinander, die Rücksichtnahme muss eben funktionieren."

Und zwar auch in der Zukunft: Für die geplanten Dachterrassen des neuen Elisabethmarktes, von den Bürgerworkshop-Teilnehmern unisono befürwortet, fordern die direkten Anlieger Zugangskontrollen von 22 Uhr an und ein Lärmkonzept.

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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