Medizinische Forschung:Kann Milch vor Allergien schützen?

Lesezeit: 3 min

  • Eine Studie soll wissenschaftlich belegen, dass allergische Erkrankungen abnehmen, wenn Kleinkinder weitgehend naturbelassene Milch zu sich nehmen.
  • Sollte sich diese Erkenntnisse belegen lassen, könnte sich das womöglich auf das Milchangebot auswirken.
  • Kindern kann es auch Schutz bieten, wenn sie im Kuhstall spielen, wie Mutius nachgewiesen hat.

Von Sabine Buchwald

"Eine rigorose Studie" soll es werden, sagt Erika von Mutius, Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz am Haunerschen Kinderspital und des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Münchner Helmholtz Zentrum. Mehr als 3000 junge Probanden und deren Eltern sucht sie dafür. Mit dem Ergebnis, das freilich noch offen ist, hofft sie Zweifel beseitigen zu können, die sie selbst eigentlich nicht mehr hat. Diese Studie soll wissenschaftlich belegen, was sie und ihr Team seit Jahren beobachten: dass allergische Erkrankungen abnehmen, wenn Kleinkinder weitgehend naturbelassene Milch zu sich nehmen. Sollte sich dies mit dieser, auf sieben Jahre angelegten gemeinsamen Martha-Studie des Münchner Kinderspitals und der Kinderuniversitätsklinik Regensburg Ostbayern belegen lassen, werden sich die Erkenntnisse womöglich auf das Milchangebot auswirken.

Den Konsumenten könnte es gefallen, wenn mehr Transparenz hinter den gläsernen Kühlschranktüren herrschen würde. Denn heute gilt: je größer der Supermarkt, desto quälender die Auswahl im Milchregal. Die unterschiedlichen Lieferanten vermarkten mit sprachlich oft irreführenden Bezeichnungen ihre Produkte. So ist wohl in Heumilch kein Heu und in Weidemilch keine Weide, Biomilch aber hoffentlich eine Milch in Bioqualität, und Bergbauernmilch kommt vielleicht tatsächlich von Höfen in der Alpenregion. Abgesehen davon gibt es Milch in Zuständen, die als vollfett, fettreduziert, homogenisiert, pasteurisiert, haltbar, UHT erhitzt, frisch oder länger frisch deklariert wird. Sogar Rohmilch findet sich auch in mancher Ladenkühlung, die sollte aber kurz auf mindestens 70 Grad Celsius erhitzt werden. Direkt von der Kuh empfiehlt Mutius sie nicht, da sie zum Teil krankmachende Keime wie etwa Salmonellen enthalten kann.

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Dafür hat Rohmilch einen höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, die lebensnotwendig sind. Je höher die Milch erhitzt und je mehr sie entrahmt wird, desto mehr Inhaltsstoffe gehen verloren. Dabei wären sie wichtig für den Schutz gegen Asthma und Allergien. Kindern kann es auch Schutz bieten, wenn sie im Kuhstall spielen, wie Mutius nachgewiesen hat. In mehreren Studien belegte ihr Team diesen sogenannten Bauernhof-Effekt. Dafür erhielt sie 2013 den Leibniz-Preis, den wichtigsten deutschen Forschungsförderpreis. "Wir sehen, dass die Bauern es eigentlich richtig machen", sagt Mutius. "Lange hing man der Idee an, man müsse das Allergen vermeiden, damit ein Kind nicht allergisch wird. Heute wird eher der umgekehrte Ansatz verfolgt: das Allergen zu geben." Auch durch die Milch. Es gebe nur wenige Kinder, die eine Milchunverträglichkeit haben oder eine Milchallergie entwickeln. Unter Bauernhof-Kindern sei der Anteil noch geringer. Mutius hält nicht viel von dem Trend, Milch möglichst lange haltbar zu machen: Das sei praktisch, aber falsch.

Die Frage, was Allergien bei Menschen auslöst, hat die Münchner Kinderärztin in die Möglichkeiten der Lebensmitteltechnologie einsteigen lassen. Für die Martha-Studie suchte Mutius intensiv im In- und Ausland nach einer Firma, die Milch in einem möglichst schonenden Verfahren behandelt, sodass die schützenden Inhaltsstoffe nicht zerstört werden. Gefunden hat sie einen Partner in der Friesland-Campina-Molkerei, die mit einem Jahresumsatz von elf Milliarden Euro zu den größten Molkereiunternehmen der Welt gehört. Die GmbH hat ihre Hauptstandorte in Deutschland und den Niederlanden. Aus den Niederlanden kommt dann auch das Milchpulver, dass den teilnehmenden Eltern geschickt wird. Man schmecke nicht, dass die Milch pulverisiert war, sagt Mutius. Der genaue Prozess sei das Geheimnis der Firma, von einem hauseigenen Wissenschaftler betreut.

Die Eiweißstrukturen und die Inhaltsstoffe habe man sich in München sehr genau angeschaut. Und so wird die Studie, von der niederländischen Patientenorganisation "Longfonds" mit Spendengeld finanziert, ablaufen: Die teilnehmenden Babys sollen mindestens ein halbes Jahr alt sein. Sie werden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen erhalten kostenlos die auf schonende Weise hergestellte Milch, die anderen handelsübliche. Die Kinder sollen über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren konsequent die ihnen zugewiesene Milch trinken, die Eltern darüber Protokoll führen und drei Mal - zu Beginn, mit drei und zum Abschluss mit fünf Jahren - in die Studienambulanzen in München oder Regensburg kommen.

Sollten Erika von Mutius und ihre Kollegen recht behalten mit ihrer Annahme, dass möglichst naturbelassene Milch vor Allergien und Asthma schützt, dann würde sich künftig das Leben vieler Menschen verbessern. Bei mehr als einem Viertel der Kinder in Deutschland wurde bereits einmal im Leben Heuschnupfen, Neurodermitis oder gar Asthma festgestellt. In den vergangenen 30 Jahren kommen immer mehr Menschen mit diesen Beschwerden zum Arzt. Es gebe viele Einflussfaktoren für Allergien, sagt Mutius. Umweltbedingungen, genetische Anlagen und die Ernährung spielten eine Rolle. Mit dem Beleg ihrer Beobachtungen ist Mutius geduldig: Allein zwei Jahre werde es dauern, bis sich genug Probanden gefunden haben, schätzt sie.

Informationen zur Martha-Studie und Kontakt zu den Ärzten unter www.martha-studie.de /

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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