China:Wie es uns gefällt

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Ein eigenes Verständnis von Vereinten Nationen: Xi Jinping neulich bei der Weltnaturkonferenz. (Foto: Li Xueren/dpa)

Seit 50 Jahren ist die Volksrepublik nun Mitglied der Vereinten Nationen. Für das Regime in Peking sind die UN vor allem ein Instrument - um alles durchzusetzen, wozu man die Macht hat.

Kommentar von Lea Sahay

Für die Kommunistische Partei Chinas war es die Korrektur einer historischen Ungerechtigkeit. Am 25. Oktober 1971 nahm die Volksrepublik den China-Sitz bei den Vereinten Nationen ein, 26 Jahre nach Gründung der Organisation - anstelle von Taiwan. Tatsächlich ist es beispiellos, dass Peking bis heute seinen Einfluss nutzt, um die heutige Demokratie vor seiner Küste politisch zu isolieren und deren Vertretung in wichtigen Foren wie der Weltgesundheitsorganisation zu verhindern. Bereitwillig gefährdete die Volksrepublik so das Leben von Millionen Menschen in der Pandemie.

Gleichwohl war die Entscheidung vor 50 Jahren konsequent. Ein Viertel der Weltbevölkerung war bis dahin in der UN-Vollversammlung nicht vertreten, Washingtons langjähriger Widerstand gegen die Mitgliedschaft der Nuklearmacht Peking nicht mehr zu rechtfertigen. Der Schritt stärkte nicht nur die Legitimität des kommunistischen Regimes, sondern auch die der Vereinten Nationen.

Die eigene Souveränität steht über allem

Dennoch hat die freie Welt unterschätzt, welche Folgen das verstärkte Engagement dieses Einparteienstaats für die Vereinten Nationen haben würde. Während sich die USA in den vergangenen Jahren zunehmend aus internationalen Organisationen zurückgezogen haben, hat die chinesische KP diese Leerstelle genutzt. Das Land zahlt heute den zweithöchsten Beitrag am UN-Gesamtbudget und bei den Friedenstruppen, jeweils nach den USA. Gleichzeitig entsendet es mehr Soldaten als die übrigen vier Veto-Mächte USA, Russland, Großbritannien und Frankreich zusammen.

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Parteichef Xi Jinping inszeniert sein Land als Schutzmacht der internationalen Ordnung und des Multilateralismus. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Geht es nach ihm, muss das globale Regelwerk die neuen Machtverhältnisse in der Welt widerspiegeln. Pekings Vision ist klar: Die Vereinten Nationen sollen nicht eigenständig agieren oder gar eingreifen, sondern Diener der Mitgliedstaaten sein. Xi Jinping pocht dabei auf die Doktrin der Nichteinmischung bei allem, was er für innere Angelegenheiten eines Staates hält. Die eigene Souveränität steht über allem - ein Ansatz, der für viele autokratische Regimes in der Welt verführerisch klingt.

In der Konsequenz heißt das, dass nationale Krisen sowie Gewalt und Verfolgung Einzelner nicht mehr als Gefahr für den globalen Frieden und die Sicherheit verstanden werden sollen. Denn aus Pekings Sicht braucht es keine universellen Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit; als Friedenssicherer dient allein der Staat. Die ersten Konsequenzen zeigen sich bereits, wenn China immer wieder versucht, Mittel für den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen im UN-Budget zu kürzen.

Um seine Agenda zu stärken, hat China in den vergangenen Jahren die Zahl seiner UN-Diplomaten erhöht. Einerseits hatte das Land Nachholbedarf. Gleichzeitig lässt das Regime keinen Zweifel daran, dass sich seine Repräsentanten nicht der Organisation, sondern dem eigenen Land verpflichtet sehen sollen. Kein Land hat zudem so viele eigene Leute in Spitzenpositionen von UN-Organisationen gehievt, wo sie bedeutend Einfluss auf Entscheidungen im Sinne Chinas genommen haben. Taiwans wachsende Isolation in der Welt ist nur ein Beispiel.

In einem UN-Gremium werden jetzt sogar Pekings Verbrechen verteidigt

Peking hat seinen Einfluss so weit ausgebaut, dass inzwischen nicht nur seine "Neue Seidenstraße" ein offizieller Teil der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung geworden ist. Niemand behindert die Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen innerhalb der UN so aggressiv wie China. Besonders betroffen sind zivilgesellschaftliche Vertreter, die sich für Menschenrechte engagieren. Aber auch Organisationen, die zu Themen arbeiten, die für China unverfänglich sind, müssen sich auf Druck Pekings zu Konflikten wie Taiwan und Tibet positionieren. Andernfalls laufen sie Gefahr, ihren Beraterstatus zu verlieren.

Im UN-Menschenrechtsrat, dessen Aufgabe es eigentlich ist, Menschenrechtsverstöße anzuprangern, hat Peking seinen Einfluss so weit vorangetrieben, dass es bei Themen wie den Uiguren und Hongkong nicht nur eine große Zahl von Unterstützern hinter sich versammelt, die seine Verbrechen verteidigt. Der Rat dient dem Land regelrecht als Bühne, um für sein Verständnis der Menschenrechte zu werben.

Denn Peking unterdrückt Menschenrechte nicht mehr nur im eigenen Land. Bereits 2015 stellte Xi Jinping seine sperrig klingende Idee einer "Gemeinschaft mit geteilter Zukunft für die Menschheit" vor. Verpackt in schöne Worte unternimmt sein Regime damit den Versuch, das Recht auf Entwicklung über die Rechte auf Freiheit und Demokratie zu stellen. Das Konzept ist kein Bemühen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte fortzuentwickeln, sondern ein direkter Angriff auf sie.

50 Jahre nach Chinas Beitritt ist deutlich wie nie, was Peking anstrebt: Vereinte Nationen nach seinen Vorstellungen und zu seinen Bedingungen.

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