Katholische Kirche:In dunklem Wasser

Lesezeit: 2 min

Kardinal Woelki und zornige Gläubige, fotografiert am Donnerstag dieser Woche am Rande der Zweiten Synodalversammlung in Frankfurt am Main. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Der anfängliche Optimismus, im "Synodalen Weg" könne man die Belastung durch die sexualisierte Gewalt von Geistlichen aufarbeiten, ist geschwunden.

Kommentar von Annette Zoch

"Das große Schiff des traditionellen Christentums von gestern sinkt zu Grunde, und wir sollten die Zeit nicht damit verlieren, die Liegestühle auf der Titanic hin und her zu schieben." Eine harte und wahre Analyse des tschechischen Theologen und Religionssoziologen Tomáš Halík. Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hatte diese Sätze zu Beginn seiner Rede beim Sankt-Michaels-Empfang der katholischen Kirche am Montag in Berlin zitiert. Das war kurz nach der Entscheidung von Papst Franziskus, Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki und zwei seiner Weihbischöfe im Amt zu lassen, und kurz vor der zweiten Synodalversammlung der Reformdebatte zwischen Klerikern und Laien.

Die katholische Kirche in Deutschland, sie ist in schweren Gewässern. Anders als die Titanic hat die Kirche aber nicht einen jäh aus dem Nebel auftauchenden Eisberg namens Missbrauch gerammt. Nein, sie zog diesen gigantischen Eisberg jahrzehntelang mit sich, als schweres Gepäck, im dunklen Wasser verborgen. Niemand sprach darüber, viele wussten es. Leckgeschlagen ist sie daran nun trotzdem.

Ein altes Gefühl: Ohnmacht gegenüber Rom

Der Synodale Weg, die Reformdebatte zwischen katholischen Klerikern und Laien, ist die unmittelbare Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal. Waren die Synodalen zu ihrer ersten Versammlung Ende Januar 2020 noch mit viel Elan und Tatkraft in die Debatte gestartet, ist der Optimismus bei vielen heute deutlich gedämpfter. Eine Ursache dafür liegt in den päpstlichen Personalentscheidungen, von Gefühlen der Ohnmacht gegenüber Rom spricht die Synodale Schwester Philippa Rath. Andererseits bewege sie aber auch der feste Wille weiterzumachen, "denn das schulden wir den Opfern des sexuellen Missbrauchs".

Was dieses Fundament angeht, so hat der Synodale Weg dazugelernt: Hatte man bei der ersten Versammlung noch gar nicht daran gedacht, Betroffene einzuladen, sind sie heute als Mitglieder dabei, geben eine Stellungnahme ab. In den Diskussionen danach ist viel von Scham die Rede, von eigener Schuld in der Täterorganisation, auch die Laien äußern Selbstkritik. Dass Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer, der die Erkenntnisse der zentralen Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz generell infrage stellt und grundlegende Reformen ablehnt, sich dann zu Wort meldet und vom "unfehlbaren Lehramt der Betroffenen" spricht, ist zynisch.

Bischöfe mit Sperrminorität?

Voderholzer führt die Kritiker des Synodalen Wegs lautstark an. In den Abstimmungen der vergangenen beiden Tage kristallisierte sich eine mehr oder weniger stabile Opposition von etwa 30 Personen heraus. Die Voten sind nicht namentlich, es kann auch nicht zwischen Klerus und Laien unterschieden werden. Sollte es sich bei diesen 30 aber mehrheitlich um Bischöfe und Weihbischöfe handeln, hat der Synodale Weg ein Problem: Sie haben eine Sperrminorität. Wenn ein Drittel von ihnen Nein sagt, gilt ein Text als gescheitert. Das wird zwar erst bei der letzten Synodalversammlung wichtig, wenn Beschlüsse gefasst werden. Es zeigt aber auch, wer das Heft in der Hand hat.

Ganz am Ende steht sowieso Rom. Dort und in anderen Teilen der Welt können die Verteidiger des Lehramts dann getrost weiter versuchen, Liegestühle ins Trockene zu tragen. Allein, es wird vergeblich sein, prognostiziert Tomáš Halík: "Wenn jemand denkt, dass die jetzigen Stürme rund um den sexuellen Missbrauch vorübergehen und alles wieder so sein wird, wie es vorher war, der täuscht sich."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNymphenburg
:"Ich war eigentlich nie so sehr der fromme Typ"

Die Benediktinerinnen der Abtei Venio verbinden ein Leben im Kloster mit ganz gewöhnlichen Berufen. Für die Äbtissin ist der Ansatz ein Schlüssel zur Zukunft der Klöster.

Von Mira Brünner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: