US-Abzug aus Afghanistan:Deutschland und die Nato müssen ein Signal senden

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Trump bei einem unangekündigten Besuch der US-Army in Afghanistan 2019. (Foto: dpa)

Im allerletzten Augenblick will der US-Präsident den Afghanistan-Abzug beschleunigen - mit womöglich fatalen Folgen. Auch Deutschland hat einen Hebel, den Kollaps des Landes zu verhindern.

Kommentar von Stefan Kornelius

In Afghanistan sind etwa 12 000 Soldaten aus 38 Nationen stationiert, darunter 4500 US-Soldaten, ohne deren besondere Fähigkeiten bei der Luftüberwachung oder beim Transport das militärische Konstrukt zusammenbrechen würde wie ein Knochengestell ohne Rückgrat. Diese Soldaten führen keinen Krieg, sondern sie bilden eine Drohkulisse, ohne die Afghanistan schnell wieder in einen anarchischen Zustand fallen würde.

Die bittere Wahrheit ist eben: Afghanistan kann auch rund 20 Jahre nach der Invasion der USA die Balance zwischen Zentralregierung und Provinzen, zwischen Stämmen und Ethnien, zwischen äußerem Druck und innerer Stabilität alleine nicht halten. Deswegen ist dieser internationale Einsatz im besten Sinne eine Stabilisierungsmission.

Diese Mission kann aber nicht ewig dauern. Sie muss bald enden. Unendlich lange Einsätze dieser Art sind den Bevölkerungen kaum noch zu vermitteln, sie wirken sich, wie in den USA zu sehen, auf Wahlen aus. Allerdings darf auch nicht ignoriert werden: Die Bundeswehr ist schon seit 1999 in Kosovo stationiert, ihre militärische Präsenz wirkt befriedend und sichert der Bundesregierung und der Nato Mitsprache bei der Regelung politischer Konflikte auf dem Balkan.

Wie kann das Land auch ohne fremde Soldaten stabil bleiben?

Vor einem Abzug aus Afghanistan muss also eine Frage geklärt sein: Wie kann das Land auch ohne oder mit möglichst wenig fremden Soldaten stabil bleiben? Ein Einsatz dieser Dimension wäre ja auch ad absurdum geführt, wenn die Gewalt blitzartig wieder aufflammte und im Extrem bis in die Entsendeländer hinein zu spüren wäre - durch neuen Terror oder hohe Flüchtlingszahlen. Der politische Preis fiele dann umso höher aus.

US-Präsident Donald Trump will die afghanische Konstruktion nun zum Einsturz bringen, ohne dass er zuvor den Abwägungsprozess zu Ende geführt hat oder eine politische Abzugsvereinbarung als Voraussetzung für die Reduzierung vorweisen kann. Der Friedensprozess mit den Taliban stockt. Ziehen die USA dennoch ab, werden die Taliban für ihre destruktive Haltung belohnt und bestärkt in der alten afghanischen Gewissheit, dass die Fremden zwar über die Uhr, sie selbst aber über die Zeit verfügen.

Je ungeordneter der Abzug je mehr gewinnen die Taliban

Richtig ist, dass die von der Nato geführte Mission die Zeit zu nutzen verstünde, dass sie daran aber vier Jahre lang von der Trump-Regierung gehindert wurde. Eine Exit-Strategie für Afghanistan ist möglich, wenn die USA und die Nato den politischen Willen dafür aufbringen. Auch Joe Biden wird den Abzug forcieren, aber er wird ihn mit einer glaubwürdigen Drohung gegen die Taliban verbinden. Die Taliban lassen sich nicht auf eine Friedensvereinbarung ein, weil sie umso größere Beute wittern, je ungeordneter der Abzug der USA ausfällt.

Hier kommen die Nato und auch Deutschland als zweitgrößter Truppensteller ins Spiel. Sie müssen jetzt auf den inneramerikanischen Prozess einwirken, auch schon in informellen Gesprächen mit den Biden-Leuten, um den Schaden durch Trump zu begrenzen. Sie werden Unterstützung im US-Kongress finden - aber auch in der afghanischen Regierung. Der Friedensprozess wurde in den vergangen Jahren viel zu sehr den USA überlassen. Das rächt sich nun. Ein politisches Signal der Standfestigkeit von 37 Nationen könnte helfen, einen der letzten Trump-Ausschläge aufzufangen. Der Abzug ist damit nicht aufgehoben. Der schlechte Plan dafür aber schon.

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