Große Sätze werden gerne großen Figuren zugeschlagen, weshalb kein Geringerer als Napoleon Bonaparte als Erster über "Geografie als Schicksal" räsoniert haben soll. Ob das nun stimmt oder nicht (unbestritten verstand Napoleon gerade nach Russland viel vom Thema): In diesen Tagen spürt das Vereinigte Königreich immer schmerzlicher, dass sein Dasein als Insel auch sein Schicksal ist.
Nun hat Frankreich ohne Vorwarnung und in bezeichnender Kälte Reiserestriktionen gegen die Einwohner des Königreichs verhängt, weil die Omikron-Variante auf der Insel alle Rekorde bricht. So werden also Testpflicht und Quarantäne-Zeiten verhängt, Reisen zur Weihnachtszeit und vor allem in die Skigebiete oder das provenzalische Feriendomizil werden unattraktiv bis unmöglich. Frankreich erhofft sich von der Abschottung einen Zeitgewinn und einen Kontrollvorsprung. Zur Wahrheit gehört aber auch dies: Die Inzidenzrate in Großbritannien ist so hoch, weil ungleich mehr Krankheitsfälle auf den Virusursprung hin bestimmt werden. So wird die Omikron-Variante eben auch häufiger identifiziert. Auch Frankreich wird sich nicht vor dieser Variante verstecken können. Keiner kann das.
So wiederholt sich im zweiten Winter, was ein paar Mal schon durchexerziert wurde: Grenzen zu, Rollläden runter, Scheinsicherheit wird vorgegaukelt. Großbritannien trifft es als Erstes, weil das Land so wunderbar abzuschotten ist und weil vor allem das vom Brexit traumatisierte Frankreich nach Fischereistreit und Nordirland-Konflikt keinen Grund zur Konzilianz erkennen mag. Keine politische Bindung zwingt mehr zu Verhandlungen über eine einvernehmliche Regelung, Großbritannien ist politisch und geografisch eine Insel. Bei fast 80 000 Neuinfektionen am Tag addiert sich die Entscheidung aus Paris zu einer gefährlichen Botschaft an Premier Boris Johnson. Auf einer Insel kann es auch recht schnell einsam werden.