Migration:Ein neuer Abgrund für Europa

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Spanische Polizisten in der Exklave Melilla drängen Migranten aus Afrika zurück. (Foto: Javier Bernardo/AP)

Spaniens Premier findet kein Wort des Bedauerns angesichts 37 toter Migranten in Melilla. Stattdessen lobt er seine Sicherheitskräfte. Es sind nicht mehr nur die Rechtsextremen, die die Werte des Kontinents zugrunde richten.

Kommentar von Karin Janker

Es war bekanntlich die AfD, aus der der brutale, die Werte Europas zertrümmernde Vorstoß kam, die EU-Außengrenzen notfalls mit Waffengewalt gegen Migranten zu verteidigen. Doch das nicht endende Sterben in Mittelmeer und Atlantik sowie die jüngsten Bilder aus der spanischen Exklave Melilla zeigen: Scharfe Munition ist gar nicht erforderlich. Auch ohne sterben Menschen regelmäßig einen gewaltsamen Tod, weil sie versuchen, Europas Grenzen zu überwinden.

Die Normalisierung dieses Sterbens geschieht gewöhnlich schleichend, man nimmt es hin und schaut weg. Aber an diesem Wochenende hat Europa einen neuen Abgrund erreicht: Da stellte sich Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez vor die Mikrofone und lobte - ja, lobte - angesichts von mutmaßlich 37 Toten an der Grenze zwischen Marokko und Melilla die "außergewöhnliche Arbeit unserer Sicherheitskräfte". Sie hätten sich erfolgreich gegen einen "gewaltsamen Angriff auf die territoriale Integrität Spaniens" zur Wehr gesetzt und dies, so unterstrich Sánchez, in "koordinierter Zusammenarbeit" mit den marokkanischen Sicherheitskräften.

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Kein Wort des Bedauerns von Sánchez, der einst als Oppositionsführer das Sterben an den EU-Außengrenzen selbst scharf angeprangert hatte. Keine Ankündigung, die Todesursachen bei den 37 Opfern zu ermitteln. Stattdessen plumpe Kriegsrhetorik und Schmeicheleien in Richtung Rabat.

Wie tief ist die Moral in Europa schon gesunken, dass ein linker, nach eigener Definition progressiver Politiker derart gefühllos über den Tod Unbewaffneter spricht? Dass er es gutheißt, wenn Grenzschützer halbtote und tote Menschen vor sich zu Haufen auftürmen, wie es Videomaterial von der Grenze in Melilla dokumentiert, und den Vorfall damit als "gut gelöst" bezeichnet? Dass kein Wort des Mitgefühls über seine Lippen kommt? Es steht schlecht um Europa - und es sind nicht nur die erklärten Fremdenfeinde, die seine Werte zugrunde richten.

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