Gas-Pipeline:Enttäuschte Brückenbauerin nach Russland

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Muss sich rechtfertigen: Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Jens Schicke via www.imago-images.de/imago images/Jens Schicke)

Manuela Schwesig galt als Hoffnungsträgerin der SPD. Jetzt steht sie wegen ihrer jahrelangen Unterstützung von Nord Stream 2 in der Kritik.

Von Peter Burghardt

Die Ministerpräsidentin ist daheim zurzeit, ihre Stellvertreterin Simone Oldenburg von den Linken vertritt sie. Manuela Schwesig wurde Mitte Februar operiert - Folgen ihrer Krebstherapie müssten behoben werden, twitterte die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, im vergangenen Jahr hatte sie eine Brustkrebserkrankung überstanden. "Passt auf euch auf und bleibt gesund", schrieb Schwesig vor zwei Wochen, als die Welt noch etwas friedlicher war, und meldete sich ab. Zu Hause erholt sie sich von der OP. Aber seit Russlands Angriff auf die Ukraine ist viel von ihr und über sie zu lesen.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk meint: "Die Heuchelei ist zum Kotzen."

Im Netz tobt ein Sturm, der damit begann, dass die SPD-Politikerin bis vor Kurzem an der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 aus Russland nach Lubmin bei Greifswald festgehalten hatte. Jetzt wendet auf Twitter auch sie sich ab, es gebe "keine Rechtfertigung für diesen verbrecherischen Angriffskrieg". Das Schweriner Schloss wurde in den ukrainischen Landesfarben erleuchtet, "Solidarität mit der Ukraine", lautete am Samstagmorgen Schwesigs Tweet zu dem Foto. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk reagierte so: "Die Heuchelei ist zum Kotzen."

Die einen halten Schwesigs Wende für verspätet bis opportunistisch. Mecklenburg-Vorpommern hatte Anfang 2021 sogar eine sogenannte Klimastiftung gegründet, millionenschwer finanziert von Gazprom, ohne Gegenstimme im Landtag. Auf diese Weise sollten nicht zuletzt mögliche US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 umgangen werden, um die Erdgasleitung durch die Ostsee fertig zu bauen, die Stiftung kaufte dafür obendrein ein Spezialschiff. Ihr Vorsitzender Erwin Sellering, Schwesigs Vorgänger als Ministerpräsident, feierte zum Jahrestag den Erfolg der Stiftung, während Putin an der Grenze zur Ukraine Truppen aufmarschieren ließ.

Nun hat die Stiftung ihre Kontakte zu Nord Stream eingestellt, sie soll aufgelöst werden. Schwesig will sehen, ob sich das Geld für humanitäre Zwecke einsetzen ließe. Sie begrüßt das mindestens vorläufige Ende von Nord Stream 2, außerdem sollen die jährlichen Russland-Tage in Rostock ausgesetzt werden, und der deutsch-russische Partnerschaftsverein ruht ebenfalls.

Binnen weniger Tage veröffentlichte Manuela Schwesig eine ganze Reihe von Tweets. Sie forderte auch Altkanzler Gerhard Schröder auf, seine russischen Jobs sein zu lassen. Sie zähle sich nicht zu den "Putin-Freunden" oder "Putin-Verstehern", sie habe nie mit Putin gesprochen oder sein Vorgehen in der Ukraine unterstützt. Sie weist trotzdem darauf hin, dass sich viele Landsleute ein friedliches Zusammenleben mit Russland wünschten. "Auch ich halte es nicht für richtig, alle Brücken abzubrechen."

Nicht wenige Menschen im deutschen Nordosten stehen Russland näher als den Amerikanern, das weiß sie. Der Beistand für Nord Stream 2 trotz Annexion der Krim und Putins Verfolgung der Opposition hatte Schwesig hier lange nicht geschadet, im Gegenteil. Ihre SPD setzte ganz auf sie, gewann die Landtagswahl im September 2021 klar und konnte danach von Rot-Schwarz zu Rot-Rot wechseln. Schwesig schien populär wie nie zu sein. Sie war Bundesfamilienministerin, SPD-Vize, bis zu ihrer Krankheit kommissarische Parteivorsitzende und gilt bei der Bundes-SPD wieder als feste Größe, manche hätten ihre eine künftige Kanzlerkandidatur zugetraut. Wie kommt der abrupte Kurswechsel jetzt in der Wählerschaft an?

"Eine russische Werbe-Ikone" sei sie gewesen, verkündete die CDU bei der Sondersitzung am Dienstag im Landtag. Und vergaß dabei, dass auch die CDU das russische Pipeline-Projekt mitgetragen hatte, ehe die Union aus dem Kabinett Schwesig flog. Nur die Grünen lehnten Nord Stream 2 von Anfang an ab. Schwesigs Weg des Dialogs sei richtig gewesen, sagt ein SPD-Abgeordneter, jetzt habe sich die Lage aber geändert. Bald soll die Ministerpräsidentin in die Schweriner Staatskanzlei zurückkehren.

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