Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen, soll Winston Churchill gesagt haben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beherzigt diese Maxime, wenn er wegen des Kriegs in der Ukraine neue gemeinsame Schulden in der EU vorschlägt. Im Sommer 2020 einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs darauf, dass die Kommission erstmals im ganz großen Stil Schulden machen darf, um einen Corona-Hilfsfonds zu füllen. Der verteilt Zuschüsse und billige Darlehen. Pünktlich zum EU-Gipfel in Versailles fordert der wahlkämpfende Macron nun einen Nachfolge-Fonds, der EU-Länder dabei unterstützen soll, unabhängiger von Energie aus Russland zu werden und ihre Armeen zu stärken. Doch der Vorstoß ist ebenso falsch wie unnötig.
Überraschend ist er allerdings nicht. Denn die Regierungen von Frankreich oder Italien haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie so etwas wie den Corona-Fonds als Dauereinrichtung wollen. Der Krieg in der Ukraine ist jetzt ein willkommener Anlass, das Thema wieder aufs Tapet zu bringen. Dies ändert aber nichts daran, dass ein neuer Fonds gar nicht notwendig ist. Der gut 800 Milliarden Euro schwere Corona-Fonds schüttet noch bis 2026 Mittel aus; Mitgliedstaaten können einfach ihre Pläne ändern, wie sie das Geld verwenden wollen. Der reguläre EU-Haushalt bietet ebenfalls reichlich Spielraum zum Umschichten.
Zudem ist der Corona-Fonds bewusst als befristete Ausnahme angelegt, als Reaktion auf eine beispiellose Krise. Würde so etwas zur Dauereinrichtung, einfach weil die nächste Krise begonnen hat, droht Ärger mit dem Bundesverfassungsgericht. Und es wäre eine ungerechtfertigte Umverteilung zu Lasten junger Deutscher. Schließlich müssen die gemeinsamen EU-Schulden irgendwann beglichen werden, und Deutschland ist größter Beitragszahler. Für jeden Brüsseler Zuschuss aus solch einem Fonds werden künftige Generationen deutscher Steuerzahler geradestehen müssen.