Datenschutz:Hier spricht die Pandemie-Polizei

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Ein Kritikpunkt an der Luca-App war immer: Sie sammelt persönliche Daten zentral, statt technisch sicherzustellen, dass sie eben niemand als allsehendes Auge missbrauchen kann. (Foto: dpa)

Ermittler nutzen die Luca-App für ihre Zwecke, obwohl das untersagt ist. Der Fall zeigt, wie blind in der Pandemie Technik eingesetzt wird.

Kommentar von Jannis Brühl

Der Staat sucht das Virus. Deshalb haben die Menschen gelernt, dass sie an Eingängen zu Veranstaltungen und Restaurants mit ihren Handys QR-Codes scannen müssen, um überhaupt reinzukommen. So sollen Infektionsketten nachverfolgt, Infizierte gefunden werden. Weil der Staat aber manchmal aus ganz anderen Gründen auch Menschen sucht, passierte nun, was passieren musste: In Mainz hat die Kriminalpolizei eine Technologie missbraucht, die eigentlich nur gegen die Pandemie helfen soll.

Ein Mann war vor einer Kneipe gestürzt und gestorben. Die Staatsanwaltschaft ließ sich vom Gesundheitsamt Daten aus der Luca-App geben, in der Gäste Namen und Telefonnummern hinterlassen. 21 mögliche Zeugen hatten plötzlich die Polizei an der Strippe. Dabei hatten sie ihre Daten im festen Glauben hinterlassen, nur amtliche Corona-Jäger hätten Zugriff auf sie. Die Daten für polizeiliche Ermittlungen zu nutzen, ist explizit verboten. Doch es ist nicht der erste Fall, in dem Ermittler sich auf Luca-Daten stützen.

Dies sind die Folgen einer Pandemiepolitik, die blind auf Technik setzt, über deren Auswirkungen sich die Verantwortlichen wohl nicht im Klaren sind. Warnungen vor Luca gab es genug: einer App, die sich 13 Bundesländer unter anderem vom Rapper und Luca-Investor Smudo von den Fantastischen Vier aufschwatzen ließen, und die viele Ämter kaum noch nutzen.

Ein Kritikpunkt war immer: Die App sammelt persönliche Daten zentral, statt technisch sicherzustellen, dass sie eben niemand als allsehendes Auge missbrauchen kann. So ein einzelner Datenberg weckt immer Begehrlichkeiten, und in Mainz haben sie ihnen nun nachgegeben.

Weil viele Deutsche dank Stasi, Volkszählung und den nicht enden wollenden Versuchen, mit der Vorratsdatenspeicherung eine Form der Massenüberwachung einzuführen, besonders sensibel beim Datenschutz sind, betonten Politiker immer: Anti-Corona-Technik wird nie Überwachungstechnik sein. Wenn Behörden das eine vom anderen nicht sauber trennen, verspielen sie genau das Vertrauen, das sie derzeit so sehr benötigen.

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