Gendersprache:Ruhe, bitte

Alexander B. wollte kein_e Audianer_in sein und klagte deswegen. Er hat nicht recht bekommen, aber sein Fall wirft interessante Fragen auf.

Kommentar von Meredith Haaf

Ist Alexander B., der gegen Audi vor das Landgericht Ingolstadt gezogen ist, weil er nicht als Audianer_in bezeichnet werden will, eine Jeanne d'Arc des 21. Jahrhunderts? Schließlich stemmt er sich gegen große Mächte: den Zeitgeist und einen großen Autohersteller in Deutschland. Er empfinde Beeinträchtigung und erlebe Männerfeindlichkeit, wenn er in einer allgemeinen E-Mail als Mitarbeiter_in angesprochen werde, wie das die Konzernrichtline vorgibt. Der Vergleich mit einer Heiligen, die sich als Mann verkleidete, würde ihm wohl nicht gefallen.

Der Fall wirft zwei interessante Fragen auf: Frauen und non-binäre Personen empfinden es als Zumutung, beim generischen Maskulin nur mitgemeint zu sein, aber nie mitgenannt zu werden. Inklusive Formulierungen wirken da wie eine gute Lösung. Doch gibt es auch den umgekehrten Effekt? Ist es eine Zumutung, nur noch als ein Geschlecht von vielen in der Sprache aufzutauchen und nicht spezifisch mit dem Geschlecht angesprochen zu werden?

Zum anderen forderte Alexander B. in der Verhandlung, einfach nur in Ruhe gelassen zu werden mit dem Gendern. Das ist insofern bemerkenswert, als dass er nicht einmal bei Audi, sondern beim Mutterkonzern VW arbeitet und selbst nicht gendern muss. Doch ist der Wunsch, einfach mal in Ruhe gelassen zu werden von Arbeitgeber und Gesellschaft, nicht legitim? Dass die Welt in ihrer Komplexität, in ihren Ansprüchen, Richtlinien und Konfliktthemen auf den Einzelnen bisweilen einen zudringlichen Effekt ausübt, wird niemand bestreiten, der oder die mit ihr zu tun hat.

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