Frankreich und Großbritannien:Das ist noch lang nicht das Ende

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Kein Interesse daran, sich einander zuzuwenden: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premier Boris Johnson. (Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Der Streit zwischen London und Frankreich über ein paar Dutzend Fischereilizenzen ist natürlich völlig unnötig. Präsident Macron und Premier Johnson wissen das, doch sie brauchen sich: als Gegner.

Kommentar von Alexander Mühlauer, London

In Beziehungen braucht es bisweilen Zeit, um herauszufinden, warum man einander nicht mehr über den Weg traut. Im Verhältnis zwischen Frankreich und Großbritannien ist das nicht nötig. Der Auslöser für die französisch-britische Entfremdung ist ziemlich klar: der Brexit.

Auch wenn beide Seiten seit dem Referendum zum britischen EU-Austritt immer wieder beteuerten, Freunde bleiben zu wollen, konnten sie in den Brexit-Verhandlungen nur Gegner sein. Nun, fünf Jahre nach der Volksabstimmung, hat sich daran nicht viel verändert. Es gibt zwar ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, aber Boris Johnson muss noch immer beweisen, dass der Brexit ein Erfolg ist. Emmanuel Macron obliegt es wiederum, das Gegenteil zu tun.

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Es stehen sich also ein britischer Premier und ein französischer Präsident gegenüber, die kein großes Interesse daran haben, auf den jeweils anderen zuzugehen. Weil beiden ihre Rivalität vor allem innenpolitisch nutzt, stellen sie diese demonstrativ zur Schau. Und so wird dann eben ein Streit über Fischereirechte nach dem Brexit zum Kampf um nationale Identität erkoren. Dass es dabei nur um ein paar Dutzend Lizenzen geht, die wirtschaftlich kaum Bedeutung haben, spielt keine Rolle.

Die Tories stehen hinter Johnson, wenn er gegen "die Franzosen" zu Felde zieht

Für Johnson und Macron ist vor allem eines wichtig: Sie können diesen außenpolitischen Konflikt für ihre Zwecke instrumentalisieren. In der Konservativen Partei des britischen Premierministers ist der Brexit nach wie vor der Garant für den Zusammenhalt. Anders als bei Klimazielen oder Corona-Maßnahmen kann Johnson seine Tories hinter sich vereinen, wenn er in den Brexit-Kampf gegen "die Franzosen" zieht.

Auch Macron nutzt die Ressentiments seiner Landsleute, wenn er "den Engländern" im Fischereistreit den Bruch des Brexit-Vertrags vorwirft. Der Präsident muss dabei das Argument der französischen Rechtsextremen entkräften, die behaupten, dass die Briten die "Brexit-Schlacht" gewonnen hätten, und so tun, als ob Frankreichs Zukunft ohnehin am besten außerhalb der EU liege. Wie es aussieht, dürfte der Brexit vor der französischen Präsidentenwahl im Frühjahr noch die ein oder andere Rolle spielen.

Beide müssen aufpassen, es nicht zu übertreiben

Doch bei allem Misstrauen, das sich zwischen Johnson und Macron in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, müssen die beiden aufpassen, dass sie es nicht übertreiben. Einfach ist das nicht, schließlich sind beide Männer sehr von sich selbst überzeugt. Man kann sich also darauf gefasst machen, dass es weiter zu vollkommen unnötigen Provokationen kommen dürfte.

Unvergessen ist etwa in London, dass Macron den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astra Zeneca in der Hochphase der Pandemie öffentlich diskreditierte. Und in Paris rümpft man noch immer die Nase über Johnson, der den Groll Macrons über das "Aukus" genannte Militärbündnis zwischen Australien, Großbritannien und den USA mit den Worten abtat: "Donnez-moi un break."

Nun, Boris Johnson und Emmanuel Macron werden sich ganz sicher nicht in Ruhe lassen. Das können sie auch gar nicht, schließlich sind sie Nachbarn. Und als solche dürfen sie bei aller historisch gewachsenen Rivalität ihrer Nationen eines nicht vergessen: Die Stabilität des Westens hängt nicht zuletzt davon ab, dass London und Paris an einem Strang ziehen. Hoffentlich auch mal wieder in die gleiche Richtung.

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