Olympia-Gedenken:So spät

Vor der Feierstunde in Fürstenfeldbruck droht Deutschland ein Eklat.

Kommentar von Roman Deininger

Dass sich der palästinensische Anschlag auf die israelische Olympia-Mannschaft am 5. September 2022 zum fünfzigsten Mal jährt, kann rechnerisch Grundbegabten kaum als Überraschung gelten. Trotzdem sind nicht mal drei Wochen vor der großen Gedenkfeier für die zwölf Ermordeten in Fürstenfeldbruck zentrale Fragen offen. Die israelischen Hinterbliebenen haben angekündigt, nicht anzureisen, weil sie das deutsche Entschädigungsangebot für unzureichend halten. Egal, wie man zu den wuchtigen Forderungen der Opferfamilien steht: Deutschland hat die Aufgabe eines gemeinsamen, würdigen Erinnerns ganz offensichtlich unterschätzt.

Das Bundesinnenministerium hat eine deutsch-israelische Historikerkommission in Aussicht gestellt, ebenso das politische Anerkennen der deutschen Fehler von damals und im halben Jahrhundert seither. Beides ist ebenso richtig wie überfällig. Geld spielt im deutschen Konzept nur eine Nebenrolle; juristisch betrachtet ist auch das richtig, kein Gesetz verpflichtet zur Entschädigung. Diese Sicht ignoriert aber die Realität, dass Geld für die Angehörigen eine Hauptsache ist - nicht aus Gier, sondern als Beleg für die Ernsthaftigkeit der deutschen Bitte um Vergebung. Der deutsche Staat setzt sich nicht zum ersten Mal dem Verdacht aus, dass ihm die Empathie im Umgang mit Terroropfern fehlt.

Auf den letzten Metern versucht Deutschland nun einigermaßen verzweifelt, einen Eklat zu verhindern. Es ist spät, vielleicht schon zu spät. Das ehrliche Bemühen, alte Wunden zu heilen, könnte neue aufreißen.

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