Soziale Medien:Illegal? Scheißegal

Facebook hat keine Lust darauf, bei der Strafverfolgung von Hasskriminalität zu helfen - und klagt. Das ist unanständig.

Von Ronen Steinke

Dieser Plan ist gut, auch weil er so bestechend simpel ist: All die vielen strafbaren Bedrohungen und Volksverhetzungen, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken ohnehin jeden Tag mit zugehaltener Nase aus dem Netz zu fischen verpflichtet sind, sollten nicht einfach im digitalen Müll landen. Sondern sie sollten als das behandelt werden, was sie schon immer gewesen sind: mutmaßlich kriminell. Das heißt: ab an die Polizei damit. Rüber zu den Strafverfolgern. So hat es der Bundestag 2020 beschlossen. Man möchte sagen: Zeit wird's.

Etwa eine halbe Million Strafanzeigen werden Facebook, Twitter und Co. pro Jahr an die Polizei schicken müssen

Was für ein enormes Versäumnis darin liegt, dass diese strafbare Hetze nicht schon längst auf diese Weise verfolgt wird, das kann man an diesen beeindruckenden Zahlen ablesen: Etwa eine halbe Million Strafanzeigen, so wird geschätzt, werden Facebook, Twitter und Co. künftig pro Jahr an die Polizei schicken müssen. So viele Fälle sind es, die bei ihnen auf den Schreibtischen landen. Das ist zehnmal so viel, wie bisher überhaupt an politisch motivierter Kriminalität registriert wird. Das alles könnte verfolgt werden, wenn bloß Facebook und die anderen Dienste endlich mithelfen würden.

Wie enttäuschend ist dann, dass diese Unternehmen den guten Plan so einfach durchkreuzen können. Sie klagen dagegen, weil sie den Aufwand scheuen. Die zuständige Gerichtsbarkeit lässt sich viel Zeit. Was der Bundestag 2020 beschlossen hat, das wird 2022 noch immer nicht umgesetzt werden. Es ist unanständig, wie sich Facebook hier sträubt.

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