Europäische Union:Orbán kommt zu leicht davon

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Die Kettenbrücke über die Donau in Budapest: Zugesagte Investitionsmittel für ihre Renovierung seien bis heute nicht ausbezahlt, klagt die Opposition. (Foto: Ursula Düren/dpa)

Die EU-Kommission droht Ungarn, Zuwendungen zu streichen, sollte der autoritäre Premier die Korruption nicht ordentlich bekämpfen. Dabei gehen die wahren Probleme viel tiefer.

Kommentar von Björn Finke

Nach der Frist ist vor der Frist: Die EU-Kommission hatte bis zu dieser Woche Zeit für die Entscheidung, ob sie Ungarn EU-Fördermittel streichen will - als Reaktion auf Probleme mit Rechtsstaatlichkeit und Korruption. Die Behörde sprach sich tatsächlich für eine Kürzung um 7,5 Milliarden Euro aus. Zugleich setzte sie jedoch dem autoritären Ministerpräsidenten Viktor Orbán eine letzte Frist, um den Schritt noch abzuwenden. Orbán muss demnach bis Mitte November die versprochenen Reformen angehen. Diese sollen Korruption und Vetternwirtschaft eindämmen. Das Drama zieht sich also weiter hin.

Dabei ist ohnehin klar, dass dieses Drama kein Happy End haben wird. Sollte Orbán die Reformen gewissenhaft umsetzen, würden zwar EU-Fördermittel nicht mehr so leicht in den falschen Taschen landen - und oft gehörten diese Taschen Orbáns Verbündeten. Der Ministerpräsident aber wird zweifellos versuchen, mit oberflächlichen Reformen davonzukommen. Schließlich will er befreundete Oligarchen weiter päppeln können. Die Kommission und der EU-Ministerrat, der am Ende über Kürzungen entscheidet, müssen also sehr genau hinschauen.

Doch selbst wenn die Reformen greifen, selbst wenn EU-Geld künftig geschützt wäre gegen Korruption und Klientelwirtschaft, wäre das kein Grund zur Zufriedenheit. Die Kommission nutzt für ihre Drohungen einen neuen Mechanismus, der Mittelkürzungen erlaubt, wenn Mängel im Empfängerland die korrekte Verwendung gefährden. Aber die Probleme Ungarns gehen ja viel tiefer. Orbán selbst spricht stolz von der "illiberalen Demokratie", die er errichtet hat. Die Regierung macht jedem, der Widerspruch leistet, das Leben schwer - sei es die Opposition, seien es unabhängige Medien, Verbände oder Richter. Das ist eine Schande. Und doch hat die Kommission keine Handhabe, Orbán wegen dieses Abbaus der Demokratie das Geld zu streichen. Das ist eine noch größere Schande.

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