Heiko Maas:Die deutsche Außenpolitik befindet sich im Schwebezustand

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Bundesaußenminister Heiko Maas während seines Besuchs in Libyen (Foto: dpa)

Das Einsatzgebiet des Außenministers ist groß, der Handlungsspielraum dagegen klein. Deutschland muss mehr Gewicht in die weltpolitische Waagschale legen.

Kommentar von Daniel Bössler

Über den Zustand der deutschen Außenpolitik ist schon ziemlich viel gesagt, wenn ihr zunächst der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses einen Totalausfall attestiert und wenig später auch der Außenminister feststellt, sie sei beschädigt. Zu klären bleibt da nur noch die Schuldfrage.

Während der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses und CDU-Politiker Norbert Röttgen in der Weltpresse mit dem Finger auf den Außenminister und die Kanzlerin zeigt, tadelt Außenminister Heiko Maas von der SPD die Verteidigungsministerin und nebenberufliche CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer für ihre einsame Syrien-Initiative. Die große Koalition hat offenkundig ein Stadium der Zerrüttung erreicht, in dem sie sich vor der Welt nicht mehr geniert.

Wäre es nur dies, so handelte es sich um ein ärgerliches, aber vergleichsweise leicht zu behebendes Problem. Mit einer neuen Koalition, einer neuen Regierung und vor allem neuem Personal könnte es verschwinden. Die scharfe Kritik an Heiko Maas zuletzt nicht mehr nur aus der Opposition, sondern auch aus der Union, soll nun den Schluss nahelegen, dass mit einem anderen Außenminister schon viel gewonnen wäre. Dahinter steckt neben parteipolitischem Kalkül auch die Sehnsucht nach einem Genscher, einem Fischer oder zur Not einem Gabriel. Maas wird ungenügende Initiative, fehlende Präsenz und mangelnder Mut unterstellt.

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Richtig ist, dass Maas mitunter getrieben wirkt. So hat er sich erst dann nach Ankara auf den Weg gemacht, nachdem ihn Kramp-Karrenbauer mit ihrer Solo- Initiative für eine UN-Schutzzone in Nordostsyrien in eine unmögliche Lage gebracht hatte. Dass er den innenpolitischen Streit dann auch noch in der Türkei austrug, war ein schwerer Patzer. Ungerecht aber wäre es, dem Außenminister Untätigkeit vorzuwerfen.

Maas' Initiative für eine Allianz der Multilateralisten nimmt Gestalt an

An den letztlich vergeblichen Rettungsarbeiten für den Atomdeal mit Iran hat er sich ausgiebig beteiligt. In die Bemühungen der Kanzlerin, den Friedensprozess für die Ukraine wieder in Gang zu bringen, ist er eingebunden. Seine Initiative für eine Allianz der Multilateralisten nimmt zumindest Gestalt an. Es ist legitim, deutlich mehr zu erwarten, aber gleichzeitig müsste dann auch gesagt werden, worin diese Erwartung besteht. Soll der deutsche Außenminister gegen Trump und Mullahs den Atomdeal retten? Soll er Russen und Türken in Syrien die Stirn bieten?

So groß das Einsatzgebiet des Außenministers ist, so klein ist sein Handlungsspielraum. Er könnte größer werden, aber nicht durch breitbeiniges Auftreten, sondern nur durch mehr Gewicht Deutschlands in der weltpolitischen Waagschale. Hier, nicht im Hickhack einer untergehenden Koalition, liegt die eigentliche Krise der deutschen Außenpolitik begründet.

30 Jahre nach dem Fall der Mauer befindet sie sich in einem Schwebezustand. Sie hat zwar zur Kenntnis genommen, dass die Welt sich anders entwickelt hat als damals erträumt, erweist sich aber bislang als unfähig, daraus Konsequenzen zu ziehen. Dabei müsste spätestens aus dem Entsetzen über den Rückzug der USA aus internationaler Verantwortung die Bereitschaft folgen, zusammen mit anderen Europäern, vor allem den Franzosen, beherzt zumindest einen Teil der Lücke füllen. Für einen deutschen Außenminister gäbe es dann in der Tat viel zu tun.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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