Rüstungsexporte:"Ein Dilettant!" - Erdoğan verspottet Maas

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat Heiko Maas persönlich angegriffen: "Wenn Du etwas von Politik versthene würdest, würdest du so nicht sprechen", sagte er an Maas gewandt vor Journalisten. (Foto: AFP)
  • Mit seiner Ankündigung, Rüstungsexporte in die Türkei teilweise stoppen zu wollen, hat Außenminister Maas den türkischen Präsidenten Erdoğan verärgert.
  • Schon seit 2018 geht die Bundesregierung restriktiv mit Exportgenehmigungen für die Türkei um.
  • Bei einer härteren Linie fürchtet die Bundesregierung Entschädigungszahlungen an die Rüstungsindustrie.

Von Daniel Brössler, Berlin

Wie wirkungsvoll die Ankündigung von Außenminister Heiko Maas (SPD) ist, wegen der Militäroperation in Nordostsyrien Rüstungsexporte in die Türkei teilweise zu stoppen, ist in Berlin umstritten. Eines aber hat Maas erreicht: Der reizbare türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist verärgert. "Da kommt der deutsche Außenminister - ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt - und sagt: 'Wir werden der Türkei keine Waffen verkaufen'", wird Erdoğan von türkischen Medien zitiert. "Wir sind am Ende", soll Erdoğan sodann gespottet haben. Verlieren werde dadurch Deutschland. Maas sei ein "Dilettant". Den Deutschen ließ er wissen: "Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen."

Das sei keine Wortwahl, "die wir uns gefallen lassen", kommentierte das der Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU). Erdoğans Worte entsprechen allerdings vermutlich in einer Hinsicht den Tatsachen: Die Ankündigung aus Berlin hat in Ankara keinen großen Eindruck gemacht. Und das, obwohl Deutschland durchaus ein bedeutender Waffenlieferant für die Türkei ist. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2018 verzeichnet das Land mit einem Volumen von knapp 243 Millionen Euro als wichtigsten Abnehmer deutscher Waffen. Entscheidend für die Türkei ist, dass bereits genehmigte Lieferungen von dem angekündigten Stopp nicht betroffen sind. Lediglich neue Genehmigungen für den Export von Waffen, die in Syrien eingesetzt werden könnten, sollen nicht erteilt werden.

Eine wirklich neue Lage entsteht dadurch wohl nicht, denn schon seit der türkischen Militäroffensive auf das syrisch-kurdische Afrin Anfang 2018 nimmt die Bundesregierung für sich in Anspruch, restriktiv mit Exportgenehmigungen für die Türkei umzugehen. Wie die nach wie vor hohen Erlöse zustande kommen, schlüsselt der Rüstungsexportbericht zwar nicht auf. Sie dürften aber vor allem auf die Lieferung von Bauteilen für U-Boote der Klasse 214 zu tun haben, die von Thyssen-Krupp in der Türkei gefertigt werden.

Beim EU-Gipfel soll über weitere Reaktionen gesprochen werden - aber nicht über Wirtschaftssanktionen

Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages stellte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU) am Mittwoch überdies klar, dass die Ankündigung von Maas bisher nicht auf einem Beschluss der Bundesregierung fußt. Zunächst seien das "Worte" des Außenministers, zitieren Abgeordnete den Staatssekretär. Abgestimmt dürfte der Vorstoß von Maas allerdings durchaus sein. Er entspricht einer Linie mit begrenztem Risiko, die auch einen handfesten finanziellen Hintergrund hat. Zöge die Bundesregierung die Genehmigungen zurück, müsste sie die betroffenen Firmen entschädigen. Auch aus diesem Grund achteten deutsche Diplomaten sehr genau auf die Wortwahl einer Erklärung, die am Montag von den EU-Außenministern in Luxemburg verabschiedet worden ist. "Wir möchten nicht, dass der Eindruck erweckt wird, dass bereits erteilte Genehmigungen zurückgezogen werden, mit Entschädigung durch die BuReg", heißt es in einer internen Weisung, über die zunächst Bild.de berichtet hatte. Ein regelrechtes EU-Waffenembargo stand in Luxemburg ohnehin nicht auf der Agenda - ebenso wenig wie wirtschaftliche Sanktionen wie sie die USA verhängt haben.

Beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag soll nun über weitere Reaktionen auf die türkische Offensive gesprochen werden - allerdings wohl ebenfalls nicht über Wirtschaftssanktionen. Das Thema gebe es "bisher jedenfalls auf der europäischen Agenda nicht", hieß es aus der Bundesregierung. Hier aber wäre die Türkei durchaus verwundbar, weshalb die Opposition in Berlin etwa fordert, keine Investitionsgarantien mehr im Türkei-Geschäft zu erteilen. Nach einem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Bundestag laufen derzeit 45 Investitionsgarantien im Wert von 740 Millionen Euro. Man werde angesichts der "aktuellen Entwicklungen weitere Maßnahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sorgfältig prüfen", heißt es vage. "Makaber" nennt das der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser. Ungeachtet eines völkerrechtswidrigen Krieges mit katastrophalen humanitären Folgen wolle das Bundeswirtschaftsministerium "im wahrsten Sinne des Wortes 'business as usual' betreiben".

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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