Corona-Politik:Scholz bringt neuen Schub

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Keine Pause während der Weihnachtstage: Wo normalerweise gefeiert wird, wie in dieser Disco in Frankfurt am Main, wird weiter geimpft. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Ein selbstgesetztes Ziel erreicht der Bundeskanzler, ein anderes nicht. Fest steht, dass seine ambitionierten Richtwerte der Impfkampagne neuen Schub verliehen haben.

Von Nico Fried

Olaf Scholz ist ein Politiker, der gerne mehr oder weniger messbare Ziele setzt. Schon als er als Sozialminister erstmals in einer Bundesregierung saß, forderte er, dass die Bundesagentur für Arbeit unter den Job-Vermittlungen der Welt auf Platz 1 stehen solle. Als Hamburger Bürgermeister rettete er den Bau der Elbphilharmonie mit einem unumstößlichen Festpreis und einem klaren Ultimatum. Mittlerweile ist Scholz Kanzler, und wer den Koalitionsvertrag der Ampel durchblättert, dem purzeln wieder reihenweise Zielmarken entgegen: im Klimaschutz, bei der Elektromobilität, im Wohnungsbau.

Auch in der Corona-Politik wimmelt es inzwischen von Zielen. 30 Millionen Impfungen sollten es bis zum Jahresende 2021 werden oder vielleicht auch schon bis Weihnachten, das war genauso Auslegungssache wie die Frage, ob es nur um Auffrischungen gehen sollte, oder jeder Piks zählt. Der Kanzler selbst hat das hie und da durcheinandergeworfen. Im Januar sollen nun weitere 30 Millionen Auffrischungen dazukommen, außerdem 80 Prozent der Bundesbürger mindestens eine Impfung erhalten haben - erst hieß es bis zum 7. Januar, jetzt hat Scholz das Ziel auf Ende des Monats korrigiert.

Ziele setzen als Methode Scholz

In der Politik ist das Erreichen manchmal gar nicht so wichtig wie das Setzen von Zielen. Bestimmte Richtwerte forsch in den Blick zu nehmen, wirkt ehrgeizig, und wenn man es selbst tut, hat es noch den Vorteil, dass man die Marken selbst bestimmen kann, ehe andere sie einem vorschreiben. Ziele zu setzen, hat oft weniger mit den letzten Schritten über die Linie zu tun, als mit den ersten, mit denen man sich auf den Weg macht. Nach dieser Methode handelt auch Olaf Scholz.

Die erste 30-Millionen-Marke wird der Kanzler schaffen, die ursprüngliche 80-Prozent-Marke wird er reißen. Aber der eigentliche Effekt, den zu bewirken diese Ziele helfen sollen, ist eingetreten: Das Impfen gilt wieder als zentrales Instrument gegen die Pandemie, so wie vor einem Jahr, als die Kampagne begann. Die Umstände dafür sind heute vorteilhafter als damals, weil anders als Ende 2020 ausreichend Impfstoff vorhanden ist.

Schwerer war es hingegen zuletzt, eine Gesellschaft, die sich im Sommer bereits so gut wie befreit von der Pandemie wähnte und dann binnen weniger Wochen in den Krisenmodus zurückfiel, noch einmal zum Mitmachen zu motivieren. Das gilt nicht nur für Atemschutzmasken und Kontaktbeschränkungen, es gilt auch fürs Impfen. Die neue Koalition hat noch dazu anfangs mit den Signalen, die sie vom Freedom Day bis zum Ende der pandemischen Lage setzte, Fehler gemacht. Sie war ihrer Zeit nicht voraus, sondern hinterher.

Erbarmungswürdig dröger Kommunikator

Dem neuen Kanzler kann man nun zugutehalten, dass er gemeinsam mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach die falsche Richtung der eigenen Truppe korrigiert hat. Mit der Konzentration auf die Impfkampagne und der Einrichtung eines neuen Krisenstabes mitsamt Generalmajor hat Scholz richtige Zeichen gesetzt. Davon zeugen Rekordwerte bei den Tagesimpfraten zumindest vor Weihnachten und auch Spitzenplätze für die deutsche Boosterei im europäischen Vergleich. Diese Trendwende erreicht zu haben, ist für einen erbarmungswürdig drögen Kommunikator wie Scholz zusätzlich achtbar. Seine derzeit hohen Sympathiewerte zeigen freilich, dass die Bürgerinnen und Bürger sich einstweilen lieber von einem Langweiler realistische Ziele setzen, als von einem Unterhalter das Unerreichbare versprechen lassen.

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