Omikron:Die neue Corona-Variante zwingt zum schnellen Handeln

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an der virtuellen Sitzung des Corona-Expertenrats teil. (Foto: Guido Bergmann/picture alliance/dpa/Bundesregie)

Die Bundes- und Landesregierungen müssen die Bevölkerung auf eine echte Notlage vorbereiten. Sie sollten auf den neu berufenen Expertenrat hören, sofort.

Kommentar von Christina Berndt

Niemand möchte das Leben der Menschen wieder stärker beschränken. Schon gar nicht über Weihnachten und Silvester. Und trotzdem muss es sein. Das erste Votum, das der neu installierte Corona-Expertenrat der Bundesregierung am Sonntag veröffentlichte, macht den Ernst der Lage deutlich: Das Coronavirus ist in seiner neuen Variante Omikron nach allem, was man bisher weiß, so ansteckend, dass es eine Bedrohung ist, die weit über das hinausgeht, was die Pandemie den Menschen in den vergangenen Monaten zugemutet hat. Trotz der nun verfügbaren Impfungen. Trotz der vielen Genesenen, die es mittlerweile im Land gibt. Sogar trotz der schon erklecklichen Booster-Quote von 30 Prozent. Denn das Virus unterläuft zum Teil den Immunschutz, den Menschen durch Impfung oder Krankheit erworben haben, und führt deshalb auch bei ihnen verstärkt zu Infektionen; das Boostern kann dies nur verlangsamen, nicht stoppen. Die Folge wird eine explosionsartige Verbreitung von Omikron sein. Dagegen hilft nur eine drastische Reduktion der Kontakte.

Denn selbst wenn Omikron zumindest bei Geimpften zu etwas milderen Verläufen führen sollte als Delta, wie manche Beobachtungen nahelegen, dann gibt das zwar jedem Einzelnen, der sich ansteckt, eine günstigere Perspektive. Doch die schiere Zahl der erwarteten Neuinfektionen ist so mächtig - da hilft es der Gesellschaft als Ganzes nichts, wenn der Anteil der Schwerkranken unter den Infizierten ein wenig sinkt. Etwas weniger schwere Verläufe unter exorbitant mehr Infizierten bedeutet am Ende eben doch einen noch höheren Bedarf an Betten im Krankenhaus. Und das alles vor dem Hintergrund, dass das Gesundheitssystem ohnehin schon unter Volllast arbeitet und Patienten mit anderen Erkrankungen als Covid-19 bereits jetzt nicht die Versorgung erhalten, die sie benötigen und verdienen.

Leere Supermarktregale, kein Schulunterricht, unterbesetzte Feuerwehr: All das kann passieren

Hinzu kommt: Da das neue Virus, dieses unerfreuliche Meisterstück der Evolution, auch zu hohen Ansteckungsraten unter Genesenen und Geimpften ohne Booster führt, müssen sich im Laufe der nun drohenden Omikron-Welle mehr und mehr Menschen isolieren. Das bedeutet ganz unabhängig von der Krankheitslast eine echte Gefahr für das tägliche Leben im Land. In Großbritannien hat man das schon mit Delta gesehen, nachdem das Land seinen Freedom Day ausgerufen hatte: So viele Menschen mussten zu Hause bleiben, dass Supermarktregale leer blieben, Schule kaum stattfand, weil Lehrkräfte fehlten, und Schichten bei Polizei und Feuerwehr nicht mehr zu besetzen waren. Auch deshalb muss jetzt gehandelt werden - und zwar schnell.

Es gibt immer noch Menschen, die die Gefahr durch das Pandemie-Virus Sars-CoV-2 ganz grundsätzlich und nun auch durch dessen neue Spielart Omikron nicht erkennen können oder nicht wahrhaben wollen, auch Politiker sind darunter. Was für ein Segen ist es da, dass die neue Bundesregierung nun endlich, nach fast zwei Jahren Pandemie, einen Rat hochkarätiger Expertinnen und Experten einberufen hat, der mit einer Stimme spricht, Politik und Gesellschaft mit schnörkellos und transparent veröffentlichten Voten eine klare Orientierungshilfe bietet und damit hoffentlich das unerträgliche Zerren der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten um die Deutungshoheit in der Krise beenden wird.

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Auch wenn es noch manche Unsicherheit in Sachen Omikron gibt: An der grundsätzlichen Bedrohung durch diese neue Variante ist nichts mehr zu deuteln. Dank der klaren Worte des Expertenrates haben Bundes- und Landesregierungen nun die Gelegenheit, das Land und die Bevölkerung auf eine echte Notlage vorzubereiten. Und, nur schon mal als Vorbemerkung, falls sich doch in den kommenden Tagen ein Ärztevertreter oder ein emeritierter Mikrobiologe zu Wort melden sollte: Man kann die Lage nicht grundsätzlich anders bewerten. Die Zustimmung zum Votum im Expertenrat? 19 von 19.

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