Strafgefangene:Wie man jemanden mit Geld demütigt

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Das Bundesverfassungsgericht hat über die jämmerliche Bezahlung von Häftlingen verhandelt. Sie gehört dringend verbessert.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Zu den großen Stärken des Bundesverfassungsgerichts gehört es, Licht auf die Schattenseiten der Gesellschaft zu lenken. Vor einigen Jahren waren dies Patientenrechte in der Psychiatrie, nun ist es der Wert der Arbeit hinter Gittern. Zwei Tage lang hat das Gericht verhandelt, es öffnete sich der Blick in die Werkstätten, in denen Waren verpackt, Vogelhäuschen gebastelt und Elektroteile hergestellt werden. Das Spektrum reicht von Beschäftigungstherapie bis zur echten Produktion. Aber eines haben die Jobs im Gefängnis gemeinsam: Sie werden jämmerlich bezahlt. Wer 2,20 Euro pro Stunde erhält, gehört zu den Top-Verdienern.

Die Begründung für den kargen Lohn lautet: Wenn er zu hoch ausfällt, dann lassen die Unternehmen nicht mehr in deutschen Gefängnissen arbeiten, sondern in Billiglohnländern. Und zwar deshalb, weil die Produktivität der oft von Suchtproblemen und psychischen Störungen geplagten Gefangenen weit hinter dem freien Markt zurückbleibt. Dann bricht die Arbeit weg, und niemand hat etwas davon.

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Richtig daran ist, dass man sich die Welt nicht basteln kann, wie sie sein sollte. Aber zugleich offenbart sich hier ein grundlegend falscher Ansatz. Man darf den Wert der Arbeit im Strafvollzug nicht mit marktwirtschaftlichen Maßstäben messen. Der Kapitalismus liefert keine brauchbaren Parameter, um die Löhne im Vollzug zu beziffern. Das richtige Maß ist ein verfassungsrechtliches - der Grundsatz der Resozialisierung.

Es geht hier nicht um Wohltaten für Rechtsbrecher

Dass Straftäter wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden müssen und zuvorderst ins Arbeitsleben, ist ein großer Gedanke, der allerdings bessere Zeiten erlebt hat. Die vergangenen Jahrzehnte sind - nach den liberalen Reformen der 70er-Jahre -von einer Rückkehr zur Härte beim Strafen geprägt. Dieses Klima spiegelt sich auch in den mickrigen Löhnen wieder: Die Justizpolitik will jeden Eindruck vermeiden, dass Straftäter vom Staat belohnt werden. Arbeit im Vollzug soll sich schon auch wie Strafe anfühlen.

Dass diese Borniertheit immer noch durch manche Köpfe spukt, birgt Gefahren. Denn bei Resozialisierung geht es nie um Wohltaten für Rechtsbrecher, nicht bei Therapien, nicht bei vorzeitiger Entlassung und eben auch nicht bei der Arbeit. Es geht geht immer darum, Brücken in ein straffreies Leben zu bauen, womit - wenn es gelingt - allen geholfen ist. Gewiss, es gibt hier keine Versicherung. Sicher aber ist, dass dies die beste, vielleicht die einzige Chance ist, um kriminelle Karrieren zu beenden.

Muss man dazu die Vergütung für die Arbeit im Vollzug anheben? Ja, das muss man. Denn es gibt eine Linie, hinter der ein Stundenlohn zur Demütigung wird - und für das Erleiden von Demütigungen sind Strafgefangene nun wirklich Experten. Die Konzepte liegen auf dem Tisch: Man führt einen höheren Bruttolohn ein und zieht davon Haftkosten, Unterhalt, Schuldentilgung ab. Oder man gewährt eine Lohnerhöhung durch Haftverkürzung und Gerichtskostennachlass. Für den Alltag hinter Gittern bleibt damit nicht unbedingt mehr Geld übrig. Dennoch erfahren die Menschen vielleicht zum ersten Mal, dass ehrliche Arbeit sich lohnt.

Gut investiert wäre das Geld übrigens auch in ökonomischer Hinsicht. Jeder unterbliebene Rückfall schont den Haushalt. Ein Hafttag kostet 170 Euro.

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