Brasilien:Wahlkampf im Regenwald

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Im Amazonas-Gebiet schreitet die Abholzung allen Protesten zum Trotz voran. Naturschützer befürchten, dass der geplante Ausbau einer weiteren Straße nur dazu dienen könnte, noch mehr Regenwald zu fällen. (Foto: MAURO PIMENTEL/AFP)

Die Regierung will eine Schotterpiste asphaltieren, was Naturschützer alarmiert. Sie hoffen darauf, dass Lula im Oktober zum Präsidenten gewählt wird - und der Amazonas eine Chance bekommt.

Kommentar von Christoph Gurk

Fährt man von der Amazonasmetropole Manaus aus mit Schiff und Auto Richtung Süden, kommt man zur BR 319. Die Fernstraße führt einmal quer durch das brasilianische Amazonasgebiet, Hunderte Kilometer Schlaglöcher, Schlamm und Staub. Nun aber will die brasilianische Regierung die Schotterpiste vollständig asphaltieren lassen, zum Wohle der Menschen, sagt sie; sehr zum Leidwesen der Naturschützer. Denn Straßen sind im Regenwald immer auch Einfallstore der Zivilisation. Kettensägen und Planierraupen fressen sich von Fernstraßen aus links und rechts in den Wald, immer tiefer, und wo einst Amazonas-Riesen standen, grasen dann irgendwann Rinder.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat sich daran noch nie gestört, im Gegenteil: In der Natur seines Landes sieht er vor allem einen Schatz, der nicht bewahrt, sondern gehoben werden muss. In seiner Amtszeit wurden Schutzbehörden systematisch kaputtgekürzt und Umweltsünder kaum verfolgt. Die Abholzung war so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, allem internationalen Protest zum Trotz.

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Nun aber sieht es so aus, als sei Hoffnung in Sicht: Luiz Inácio "Lula" da Silva, Brasiliens Ex-Präsident und abermaliger Kandidat bei den Wahlen Anfang Oktober. Alle Umfragen sagen ihm einen Sieg voraus, und sollte er gewinnen, sagt der 76-Jährige, werde er nicht nur sein Land wieder aufbauen, den Hunger bekämpfen und die Wirtschaft wieder ankurbeln. Lula gelobt auch, die Umwelt zu schützen, allen voran den Amazonas-Regenwald. Allerdings, und das ist das Problem, sind Versprechen vor der Wahl eine Sache, die Realität nach einem Sieg dagegen eine andere.

In Lulas erster Amtszeit sanken die Abholzungszahlen deutlich

Knapp 20 Jahre ist es her, als Lula 2003 seine erste Amtszeit antrat. Was folgte, waren rückblickend betrachtet - trotz Korruption und Vetternwirtschaft - goldene Jahre. Brasilien boomte dank Chinas Hunger nach Rohstoffen. Millionen schafften es aus der Armut, gleichzeitig gelang es der Regierung, die Abholzungszahlen zu senken. Wurde 2004 noch eine Fläche von fast der Größe Belgiens vernichtet, waren es am Ende von Lulas Amtszeit nur noch ein paar Tausend Quadratkilometer, so wenig wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung .

Schutzbehörden wurden gestärkt, und in Gestalt von Marina Silva saß eine bekannte Naturschützerin im Umweltministerium. 2008 aber trat diese wieder zurück, aus Frust über den fehlenden Rückhalt in der Regierung. Denn auch wenn in Brasilien unter Lula die Abholzung deutlich abnahm, so wurden in seiner Amtszeit dennoch höchst umstrittene Bauprojekte vorangetrieben, darunter der Belo-Monte-Staudamm mitten im Amazonas.

Lula geht es vor allem um Jobs und den Kampf gegen Hunger

Lula ließ sich mit ölverschmierten Händen fotografieren, freudestrahlend, hatte Brasilien doch neue Vorkommen angezapft, Offshore allerdings, mit großen Risiken für die Umwelt. Lula war es, der - entgegen aller Wahlversprechen - das Land öffnete für Landwirtschaft auf Basis von Gentechnik, und in seiner Amtszeit kam auch das erste Mal der Ausbau der BR 319 wieder auf den Tisch, jener Fernstraße also, von der Naturschützer nun fürchten, sie könnte komplett asphaltiert werden - und damit endgültig das Ende des Regenwaldes besiegeln.

Lula ist kein Umweltaktivist, sondern ein ehemaliger Gewerkschafter. Ihm geht es vor allem um Jobs und den Kampf gegen Hunger und Armut. Aber, und das ist der wahre Hoffnungsschimmer, auch er scheint gemerkt zu haben, dass Umweltschutz ihm Stimmen bringen kann. Und wenn er nach einem eventuellen Sieg auch nur einen Bruchteil der umweltpolitischen Versprechen hält, die er nun im Wahlkampf abgegeben hat, dann ist das immer noch mehr, als unter Jair Bolsonaro je möglich sein wird.

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