Menschenrechte:Verstummen ist keine Option

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Alaa Abdel Fattah, fotografiert 2019. (Foto: Khaled Desouki/AFP)

Der ägyptische Aktivist und Autor Alaa Abdel Fattah konnte nicht anders, als Unrecht Unrecht zu nennen. Nun wurde er noch einmal verurteilt zu fünf Jahren Haft.

Von Thore Schröder

Alaa Abdel Fattah, fotografiert 2019. (Foto: Khaled Desouki/AFP)

Der Titel des Buchs, einer Sammlung von Alaa Abdel Fattahs Schriften, die vor wenigen Wochen erschienen ist, wurde mit Sorgfalt gewählt: "You have not yet been defeated." Darin steckt der Appell weiterzumachen: an diejenigen, die noch frei sind. Vor allem ist es die Feststellung der eigenen Niederlage - und deren Unausweichlichkeit. Alaa Abdel Fattah konnte nicht anders, als sich zu engagieren und nicht zu verstummen, selbst als er schon längst in Haft saß. Dafür wurde er am vergangenen Montag, kaum einen Monat nach Veröffentlichung des Buchs, zu weiteren fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Der mittlerweile 40 Jahre alte Blogger, Autor, Aktivist bleibt damit der wohl bekannteste politische Gefangene seines Landes, vielleicht sogar der gesamten arabischen Welt. Seit dem Putsch von General Abdel Fattah al-Sisi 2013 hat Alaa Abdel Fattah nur wenige Monate in Freiheit verbracht. Inhaftiert wurde er aber bereits unter den Vorgängern des aktuellen Diktators. Zuerst 2006 unter Hosni Mubarak, an dessen Sturz er sich fünf Jahre später an vorderster Front beteiligte. Er tat es als bloggender Chronist sowie bald nach Beginn der Proteste auch im Kampf gegen die Konterrevolutionäre auf dem Tahrir-Platz in Kairo, gemeinsam mit seiner Frau Manal, Mutter des nun zehnjährigen Sohnes Khaled.

Alaa Abdel Fattah wurde geschlagen und bedroht; er sitzt in Einzelhaft, ohne Buch, ohne Radio, ohne Uhr

Dass Alaa Abdel Fattah nicht anders konnte, als sich zu engagieren, ist nicht zuletzt seiner Herkunft geschuldet. Auch seine Schwestern Mona und Sanaa Seif sind aktiv, Letztere sitzt momentan ebenfalls im Gefängnis. Vater Ahmed Seif el-Islam Hamed, 2014 verstorbener Leiter des Hisham Mubarak Law Centre in Kairo, war in den Achtzigerjahren fünf Jahre eingesperrt worden. Mutter Laila Soueif, Mathematik-Professorin an der Universität Kairo, kämpft für die Freilassung ihrer Kinder. Einige Tage vor der erneuten Verurteilung Alaas schrieb sie in der New York Times: "Sein Verbrechen ist, dass er, wie Millionen anderer junger Menschen in Ägypten und weit darüber hinaus, dachte, dass eine andere Welt möglich ist - und sich traute, am Versuch ihrer Verwirklichung mitzuwirken." Soueif machte in ihrem Gastbeitrag auch die Bedingungen seiner Haft publik: Alaa Abdel Fattah wurde geschlagen und bedroht, er sitzt in Einzelhaft, ohne Buch, ohne Radio, ohne Uhr, ohne jeglichen Kontakt zu anderen Häftlingen. In den vergangenen Jahren waren ihm lediglich einmal im Monat 20 Minuten Besuchszeit mit einem Familienangehörigen gewährt, getrennt durch eine Scheibe. Vorgeworfen wurde Alaa Abdel Fattah "die Verbreitung von Fake News und das Untergraben der nationalen Sicherheit".

Wegen gleichlautender Anklagen sitzen in Ägypten Zehntausende im Kerker. Gleichzeitig mit Alaa Abdel Fattah wurden auch sein früherer Anwalt Mohammed al-Baqer und der Blogger Mohammed Ibrahim, bekannt als "Oxygen", von einem Sondergerichtshof für Staatssicherheit und Ordnungsdelikte zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt. Amnesty International interpretierte die Entscheidungen als "sehr klare Botschaft, dass die ägyptischen Machthaber gewillt sind, ihre Bekämpfung abweichender Stimmen fortzuführen" - trotz US-Drohungen, die Militärhilfe zu kürzen.

Die Bedingungen der Gefangenschaft entsprechen Folter und hinterlassen Spuren bei Alaa Abdel Fattah. "Wenn ich nichts für meinen Geist bekomme, werde ich diesen Ort nicht überleben", ließ er über seinen Arrest im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 mitteilen. So entsteht der Eindruck, dass der Aktivist nicht nur auf Dauer eingesperrt bleiben, sondern regelrecht vernichtet werden soll. Was aber macht den Blogger Alaa Abdel Fattah so gefährlich? "Das Regime fürchtet keine Gewehre, es fürchtet Meinungen und Ideen. Alaa hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass er nicht still sein will, im Gegensatz zu vielen anderen Aktivisten. Deshalb ist er eine Bedrohung", erklärt ein nach Deutschland geflohener einstiger Tahrir-Kampfgenosse am Telefon.

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