Der Architekt und Autor Friedrich Achleitner hat den Charakter Österreichs in kurze Sätze gepackt, vor ein paar Jahren flimmerten sie auf einem Leuchtband über die Fassade der Kunsthalle in Wien. "Österreich ist zu klein für Österreich": Dieser Verfügung würde kein Mensch widersprechen und erst recht keiner der Regisseure, die im Tatort vom ORF Geschichten über Zwangsprostituierte, Schleuserbanden und Drogenrentner erzählen.
Bigger than life ist die österreichische leading idea, nicht nur mit Blick auf den Tatort: Der österreichische Fußballtrainer Ernst Happel wurde hier als Wödmasta gefeiert, obwohl er Weltmeister nie war.
Im aktuellen Fall, "Deckname Kidon", stellt eine geheimnisvolle Frau sich den Ermittlern Moritz Eisner und Bibi Fellner folgendermaßen vor: "Ich bin Exil-Iranerin und amerikanische Staatsbürgerin. Ich habe als Dolmetscherin bei der Opec hier in Wien gearbeitet, inzwischen arbeite ich in Paris für die Vereinten Nationen." Bigger than life. Bibi Fellner aber raunt ihrem Kollege Eisner zu: "Ich glaub' dieser Frau kein Wort."
So funktioniert der Wiener Tatort, da kämpfen zwei Inspektoren mindestens gegen den Rest der Welt, sie brechen die großen Probleme schön runter, das Undurchschaubare der Handlung wird geerdet durch das Zusammenspiel von Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser. Kein anderes Tatort-Team ist einander mit so viel echter Wärme - und komplett ohne Pathos - zugetan.
"Geheimdienst. Mossad. Kidon. Scho' steil. Wir zwei mitten in einem Agentenkrieg, was?" schnurrt Fellner. "Bibi und Moritz Bond", sagt Eisner.
Nicht so intensiv wie in vergangenen ORF-Folgen
Dieser kleine Dialog verrät etwas über die Unwucht der Episode. Ein iranischer Diplomat ist aus seinem Hotelfenster gestürzt, er war ein Unterhändler in Atomgeschäften seines Heimatlandes. Der israelische Geheimdienst ist involviert, es gibt einen kurzen Schwenk zur Liquidierung der Mörder von den Spielen 1972.
Es geht um österreichische Lobbyisten, die die Iraner mit Ventilen für Kernreaktoren beliefern: Udo Samel ist großartig, er könnte ohne Abschminken auch zu einem Delegierten der Fifa werden.
Die Weltverschwörung ist so gewaltig, dass Eisner und Fellner diesmal ungewohnt betulich wirken mit ihrer Wärme, ihrem Grant und ihrem Blues. Sie ärgern sich mit Bezirkspolizisten rum und telefonieren ewig mit dem manipulierten Handy, das immer so komische Geräusche macht. Das wirkt nicht so intensiv wie in vergangenen ORF-Folgen - und manchmal erwartbar.
Dass der Ösi beispielsweise in allem gern seine Finger drin hat, hat Achleitner bündiger erzählt: "Österreich ist zu bunt für weiße Westen."
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.