"Welt"-Korrespondent in der Türkei:Deniz Yücel - Journalist auf Seiten der Gegner Erdoğans

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Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der Welt, aufgenommen am 17.09.2015 im türkischen Nusaybin, nahe der türkisch-syrischen Grenze, während einer Reise mit dem deutschen Grünen-Politiker Cem Özdemir. (Foto: dpa)

Der Deutschtürke berichtet seit 2015 aus der Türkei - oft kenntnisreich kritisch und in den sozialen Netzwerken auch spöttisch. Nun sitzt er in Polizeigewahrsam.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Mahnende Worte von Kanzlerin Angela Merkel zur Rechtsstaatlichkeit in der Türkei; Solidaritätsgruß von der Berlinale, eigener Hashtag - all das kann Deniz Yücel im Moment sicher gut gebrauchen. Der 43-jährige Türkei-Korrespondent der Zeitung Die Welt sitzt in Istanbul auf dem Polizeirevier fest. Er steht unter Terrorverdacht. Das ist bei den türkischen Behörden derzeit der am meisten verbreitete Vorwurf, um Journalisten zum Verstummen zu bringen. Besonders dürfte Yücel ein Autokorso gefreut haben, der am Sonntag durch Berlins Straßen fuhr, um laut hupend auf sein Schicksal hinzuweisen. Die Türken lieben den Autokorso. Yücel liebt die Liebe der Türken zum Autokorso und die lauten Hupen.

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Yücels Journalismus ist immer auch ein ganz großes: "Trööt!" Schwierig ist es jedenfalls, sich seinen Stücken zu entziehen. Das dürfte auch den Regierenden in Ankara so ergangen sein. Seitdem die Welt den Dauerraucher 2015 an den Bosporus entsandt hat, arbeitete er sich an Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen Politik ab. Oft kenntnisreich, bisweilen sehr originell in seinen Berichten für die Zeitung, eher spöttisch in den sozialen Netzwerken, wenn er über Erdoğan als "Chef von alles" und über das "Land mit freiste Presse wo gibt" postete. Im aufgeladenen Journalismus der Türkei, der offenbar nur noch Parteinahme für oder Gegnerschaft zu Erdoğan kennt, hat Yücel sich deutlich auf Seiten der Gegner positioniert; der Übergang zum Aktivisten: fast schon fließend. Alles andere dürfte Yücel als feige empfunden haben. Deshalb hatte er sich auch mit den türkischen Journalisten solidarisiert, die reihenweise weggesperrt worden sind.

Als er vor einem Jahr bei einer Pressekonferenz Merkel in einem kurzen Vortrag auf die Missstände in der Türkei ansprach, ging der damalige Premier Ahmet Davutoğlu auf ihn ein. Dass man ihn offen beschuldigen könne, sei doch Beweis dafür, dass in der Türkei Pressefreiheit existiere. Allerdings nahm sich die regierungsnahe Presse Yücel für seine "arroganten, provozierenden" Fragen vor, brandmarkte den in Flörsheim am Main geborenen Sohn aus einer türkischen Arbeiterfamilie als antitürkisch und als Terror-Anwalt, weil er über die PKK berichtet hatte. Der Terrorvorwurf kann einen für lange Zeit ins Gefängnis bringen, gerade wenn man wie Yücel auch einen türkischen Pass besitzt.

Um die Weihnachtszeit hatte er erfahren, dass er wieder ins Visier geraten war, diesmal von Ermittlern. Er hatte über E-Mails von Erdoğans Schwiegersohn berichtet, die an die Öffentlichkeit durchgestochen worden waren. Das Auswärtige Amt ist seit Wochen in den Fall eingeschaltet. Die Türkei hat ja in den vergangenen Monaten hinreichend offengelegt, wie wenig vom Rechtsstaat seit dem Putsch übrig geblieben ist. Yücel jedenfalls hatte sich vergangene Woche zu einem mutigen Schritt entschieden - und in die Hände des Justizwesens begeben, um die Vorwürfe zu entkräften.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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