NRW-Wahl bei Günther Jauch:Jetzt aber mal Schluss mit Kindergarten!

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Bei Günther Jauch diskutieren am NRW-Wahlabend nur "politische Schwergewichte". Die Piraten müssen ebenso wie die Linken zu Hause bleiben. Die derart geadelte politische Elite macht es sich schön in ihren jeweiligen Lagern gemütlich - und wird erst am Schluss der Sendung wieder zurück in die Realität geholt.

Hannah Beitzer

Günther Jauch, das suggeriert schon die Ankündigung seiner Sendung, hat keinen Bock mehr auf Kindergarten. Am NRW-Wahlabend dürfen bei ihm im Studio deswegen nur "politische Schwergewichte" ran. Also kein Pirat, der die anderen Teilnehmer durch exzessive Smartphonenutzung und unkonventionelle Fußbekleidung irritiert, kein ewig über die Finanzmärkte meckernder Gregor Gysi. Stattdessen diskutieren Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel, Ursula von der Leyen und Philipp Rösler über die Bedeutung der NRW-Wahl - eine Sendung nur für Erwachsene.

Die gute, alte politische Ordnung ist an diesem Abend wiederhergestellt. Trittin und Gabriel sitzen auf der einen, von der Leyen und Rösler auf der anderen Seite, in der Mitte Günther Jauch. Allesamt sind sie so anständig in gedeckten Farben gekleidet, als würden sie hinterher noch auf eine Beerdigung gehen.

Jauchs Moderation läuft in der routiniert-satten Runde erst einmal gehörig ins Leere: Erst versucht er es mit der nicht unbedingt falschen, aber schon reichlich ausgelatschten These von der "Emotionalisierung" des Wahlkampfs: Kraft als Landesmutter, als große "Kümmerin" mit Herz. Seien Gefühle und die dazugehörigen Köpfe inzwischen gar wichtiger als Inhalte? Darauf will sich keiner so recht einlassen.

Auf dem Gefühlezug

"Ihre Frage deutet mir zu sehr darauf hin, dass Kümmern und Emotion das Gegenteil von politischem Inhalt sei", bemängelt Sigmar Gabriel, unterstützt von Trittin und Rösler. "Ein großes Herz zu haben ist kein Widerspruch zu großem Verstand." Der Wähler wolle nun einmal keine "kalten Fische", die "als politische Technokraten durch die Gegend rennen".

Jauch versucht, Gabriel mit einem peinlichen gestellten Pressebild, das den SPD-Chef in seltsam verkrampfter Haltung mit rotem Kinderwagen und Aktentasche zeigt, aus der Reserve zu locken: "Ich stelle mir vor, dass Ihnen das ein Graus gewesen ist - ich sehe doch, dass Sie das nicht sind." Das entlockt dem Profi jedoch nur ein Schulterzucken. Sei halt ein Symbolfoto, das zu einem Interview über die Vereinbarkeit von Politik und Familie gehöre. Who cares?

Auch die anderen drei Rundenteilnehmer beeilen sich, nacheinander rasch auf den Gefühlezug aufzuspringen und von der enormen Bedeutung von Glaubwürdigkeit, Authentizität, Vertrauen und Verlässlichkeit zu sprechen. Man fühlt sich schon wie in einem Werbespot für eine besonders solide Rentenversicherung, als den Kontrahenten auffällt, dass sie vielleicht doch ein bisschen zu nett zueinander sind. Und schon starten sie in die nächste Disziplin ihrer Erwachsenen-Show: sich gegenseitig überbrüllen. Sachte befeuert von Jauch wächst sich die Diskussion zu einer erweiterten Mathestunde aus - die Lager bombardieren sich gegenseitig mit Umfragewerten, Wahlergebnissen und Prognosen, wie es eben gerade so in den Kram passt.

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