TV-Kritik: 3 nach 9:Sandra Maischberger dankt für die Blumen

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Spätes Rom und Rentnersex: Bei 3 nach 9 lässt Charlotte-Roche-Ersatz Sandra Maischberger ihren Kollegen di Lorenzo alt aussehen.

Rupert Sommer

Dass viele Köche einen Brei verderben können, ist eine Binse. Und wer 3 nach 9, die dienstälteste deutsche Plauderrunde, genießen möchte, braucht einen strapazierfähigen Magen.

So sprang auch in dem jüngst aufgetischten TV-Menü die Gangfolge von Induktionstöpfen zur Ex-Bischöfin Margot Käßmann, von geflissentlich dementierten Gerüchte über Wolfgang Stumphs vermeintliche Gesundheitssorgen zu Yvonne Catterfelds bereits vor Monaten geplatzten "Romy-Schneider"-Träumen, von deutsch-deutschen Trennungssehnsüchten hin zum schamfreien Rentnersex - und letztlich immer wieder zu Redeschlachten rund um Guido Westerwelle. Nur der war gar nicht eingeladen.

Aushilfsköchin in der Tratschküche

Was die Küchenmeister anging, war es dagegen vielleicht gut, dass mit dem TV-allgegenwärtigen Johann Lafer nur ein Spitzenbrutzler beim klassischen Talk zu Gast war, der von Radio Bremen produziert wird. Dass sich mit dem passionierten Hubschrauberpiloten und verschmitzten Küchengeschichtenerzähler schnell mal eine halbe Stunde Gesprächszeit füllen lässt, war zu erwarten.

Nach dem überraschend Ausscheiden seiner Ko-Moderationspartnerin Charlotte Roche, die allem Anschein nach mit der Talkshow-Redaktion nicht zurecht kam, wollte der verbliebene Hausherr Giovanni di Lorenzo auf Nummer sicher gehen - und holte sich prominente Unterstützung. Für die bislang auf sechs Probeläufe ausgelegte Übergansphase, bis eine neue feste Ko-Moderatorin gefunden ist, lockte er erstmalig Sandra Maischberger als Aushilfsköchin in die Gerüchte- und Tratsch-Küche. Später dann werden Maria Furtwängler und andere folgen.

Die charmante ARD-Talkerin Maischberger war eine naheliegende Wahl, verbinden sie und der hauptamtliche Zeit-Chefredakteur doch schon gemeinsame Zeiten beim BR-Jugendmagazin Live aus dem Alabama. Trotz aller Sympathien galt jedoch zu bedenken, was di Lorenzo fast beschwörend vorausschickte: Beide standen (beziehungsweise saßen wie im Bremer Studio) noch nie gemeinsam vor der Kamera - das sollte sich vor allem für den Hausherrn als Manko erweisen.

Lesen sie weiter, wie die telegene Silvana Koch-Mehrin vergeblich versuchte, Guido Westerwelle zu verteidigen.

Nach dem Muster des betreuten Mit-Moderierens, das eigentlich eine schleichende Machtübernahme ist, nahm Sandra Maischberger von Anfang an das Heft in die Hand.

Würde man die Sendung nach Fußballer-Manier auswerten, hatte sie den dominierenden Ballbesitz, die klarere Vorwärtsstrategie, mit der sie auch Gäste, die in Abseitsposition gerieten, ins Spiel zurückholte - und die bessere Chancenverwertung bei den wenigen Momenten, in denen Schlagfertigkeit gefordert war. Di Lorenzo dagegen wirkte über weite Strecken phlegmatisch bis übermüdet - und taute nur im finalen Schlagabtausch zwischen Silvana Koch-Mehrin und Erfolgsproduzent Nico Hofmann auf.

Der telegenen Europa-Abgeordneten der FDP kam die undankbare Rolle zu, in den wenigen wirklich politischen Passagen des Geplänkels Guido Westerwelles mehr als unglückliches Zitat von der "spätrömischen Dekadenz" auszudeutschen (und daran kläglich zu scheitern). Der Filmemacher bezog dagegen zu einem Zeitpunkt Stellung, als viele Zuschauer seine Anwesenheit längst wieder vergessen haben dürften.

Nico Hofmann outete sich in den Schlussminuten der Sendung, die nicht nur den sieben Talkgästen, sondern auch dem Publikum trainiertes Sitzfleisch abverlangte, als traditioneller SPD-Wähler, der ausgerechnet diesmal FDP gewählt hatte.

Jetzt beklagte er nicht nur, dass sich Westerwelle im Ton vergreife - sondern dass die gesamte Regierung den emotionalen Kontakt zur Bevölkerung verspielt habe. Ende März läuft sein polarisierender Event-Zweiteiler Die Grenze, der bürgerkriegsähnliche Zustände aufgrund von radikalisiertem Politikfrust durchspielen wird, im Sat.1-Programm, was gut zu seiner rhetorischen Agenda passte. "Ich bin durchaus interessiert, dass diese politische Diskussion im Land anhält", gab Hofmann unumwunden zu.

So kam einer der seltenen Momente zustande, die vom fast einschläfernd kunterbunten Plauderprinzip der Sendung abwich - und eine Ausnahme dafür, dass in das Zwiegespräch zwischen Moderator und Gast auch einmal ein weiterer Talk-Teilnehmer hineindrängte. Ansonsten bekam jeder der Gäste, brav eingeführt durch einen kurzen Vorstellungsfilm (der bei Silvana Koch-Mehrin sogar ohne Ton auskommen musste), sein Privatissimum.

Gerangel um das Schlusswort

Nur als die 80-jährige Österreicherin Elfriede Vavrik von ihren recht freizügigen Sex-Eskapaden schwärmte, hatte man das Gefühl, Landsmann Lafer wäre errötend aus einem zwischenzeitlichen Talkschlummer erwacht. Wolfgang Stumph und Yvonne Catterfeld ernsthaft in eine Diskussion über die Ost-West-Großwetterlage hineinzuziehen, misslang dagegen beiden Moderatoren.

Unterm Strich bleibt für 3 vor 9-Fans nur zu hoffen, dass Di Lorenzo rasch eine gute Damenwahl trifft - und nicht nur Hahn im Korb spielt. Maischbergers Unterstützung tat ihm und der Sendung sichtlich gut. Umso unpassender, dass er ihr schon zu Beginn eine eigentlich uncharmante Begrüßungsfloskel mit auf den Weg gab.

"Genießen Sie jede Minute mit ihr", sagte er ans Publikum gewandt. "Sie kommt nie wieder." Kurz vor Ende der Sendung drängte die Zeit, und das Gerangel spitzte sich zu, welcher der beiden Moderatoren, die sich in erbitterter Sympathie zugetan schienen, die Schlusswendung finden würde.

Als kleine Wiedergutmachung bekam Spielführerin Maischberger vom Kapitän zu guter Letzt einen Frühlingsstrauß. Doch selbst den ließ die liebe Sandra nicht ungerupft: An Silvana Koch-Mehrin verteilte sie gönnerhaft eine weiße Tulpe, für die lebensfrohe Wiener Romanautorin Vavrik gab's eine dunkle Tulpe. Yvonne Catterfeld sollte auch nicht leer ausgehen: Sie bekam eine Narzisse.

So hatte Sandra Maischberger bei ihrem 3 nach 9-Ausflug zwar doch nicht das letzte Wort - aber ihr blieb wenigstens die abschließende große Geste.

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