"Tatort" aus Wien:Schweinesystem

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Die Trainingsjacke erinnert schon schwer an die Zeiten von Schneckerl Prohaska. Fellner (Adele Neuhauser) und Eisner (Harald Krassnitzer) mussten sich nach einer Panne im Stall behelfsmäßig umziehen. (Foto: Petro Domenigg/dpa)

Der "Tatort" aus Wien erzählt von Mord auf einem Bauernhof, wird dann aber zu einer zähen Story über Klimakampf und Subventionsbetrug - ein klassischer Fall von Überlastung.

Von Holger Gertz

Ermittler Moritz Eisner stellt die richtige Frage bereits auf der Anfahrt zum Schauplatz, an dem ein Mord geschehen ist: "Ein Bauernhof mit 1200 Schweinderln - ist das noch ein Bauernhof?" Wenn etwas zu groß wird, kann es seinen Charakter schließlich negativ verändern - das gilt für Bauernhöfe, aber genauso auch für Tatorte aus Wien, die zum Beispiel als Milieustudien oft hervorragend sind. Wenn sie aber mal wieder die Abgründe der Welt auszuleuchten versuchen und sich zugleich mit Waffenhandel, Schleuserkriminalität, Clangewalt beschäftigen, wirkt es überambitioniert und verworren.

Die Inspektoren Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) reißen es zwar regelmäßig raus. Das heißt: Wenn es zu überladen wird, freut man sich auf das charismatische Zusammenspiel der beiden. Die Fälle an sich werden dadurch auch nicht besser.

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"Bauernsterben" von Sabine Derflinger (Buch: Lukas Sturm) ist ein klassischer Fall von Überlastung. Am Anfang treten Schweine auf, und ein toter Mann liegt, stark angeknabbert, auf dem Hof. Am Ende treten wieder Schweine auf, und ein trauriger Mann will sie sich noch einmal in aller Ruhe ansehen. Das sind berührende, bewegende Momente. Dazwischen verhandelt die Episode die Themenbereiche Massentierhaltung, Hinterziehung von Fördergeldern, ruchlose Futtermittelfabrikanten, aggressive Tierschützer. Und die Stallsteuerung ist auch noch gehackt worden. Weil die Wiener - wahre Wortkünstler, die sie nun mal sind - die Fehler im eigenen Stück am besten analysieren, sagt Bibi Fellner: "Der Schweinebauer aus der österreichischen Provinz im Clinch mit einem bulgarischen Großindustriellen wird zum Whistleblower bei der EU-Betrugsbehörde." Damit ist die Überlast sehr treffend beschrieben.

"Freie Welt - freie Schweine" - so was tragen Aktivisten hier auch privat auf dem Shirt

Hinzu kommt die holzschnittartige Darstellung des Personals. Die kalte Karrieristin, die betroffene Aktivistin. Und im Tierschützerinnenhaushalt rennt man bzw. frau natürlich auch privat mit einem Shirt rum, auf dem "Freie Welt - freie Schweine" steht. Slogantechnisch wäre den Wienern Doppelbödigeres zuzutrauen gewesen. Eisner und Fellner werden zwischenzeitlich nass und brauchen neue Klamotten, weil bei den Schweinen die automatische Stallreinigung angesprungen ist. Und Eisner behilft sich mit einem Trainingsanzug, der aussieht wie aus Zeiten von Schneckerl Prohaska und Schoko Schachner.

Sonst reißen es diesmal nicht mal die verehrten Ermittler raus, sondern kommentieren das Geschehen eher routiniert vom Spielfeldrand aus. Sagt Bibi Fellner: "Glaubst ned, dass den meisten Menschen wurscht is, woher die Wurscht kommt?" So klingt schwer gebremster Schmäh.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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