"Tatort" aus Hannover:Dein Freund und Milchmann

Lesezeit: 2 min

Verlassen ihre Komfortzone: Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz). (Foto: O-Young Kwon/NDR)

Seit zehn Jahren ermittelt Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke: Der neue Fall "Verborgen" erzählt von Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben - und von denen, die davon profitieren.

Von Claudia Tieschky

Wie nett, wenn die H-Milch schon kalt gestellt ist. Offensichtlich kennt der Kollege am neuen Einsatzort Hannover das Lieblingsgetränk von Hauptkommissar Falke (Wotan Wilke Möhring). Und jubelt: "Hab schon viel von Ihnen gehört!" Ist der Mann Tatort-Fan?

Falke, den der NDR trotz nicht immer überzeugender Fälle seit inzwischen zehn Jahren nicht kaltgestellt hat, was der Grund für die Getränkesause sein dürfte, ist ja generell nicht so der Gefühlstyp. Er lächelt sozusagen nur mit der Lederjacke.

Die emotionseckige und trotzdem kumpelige, warme Art, die Möhring Falke mitgibt, hat der NRD- Tatort nie ausgereizt. Diesmal passt sie auch deshalb gut, weil Falke und Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) definitiv die Komfortzone verlassen. Sie ermitteln nicht nur im Schleuser-Milieu (ein Fernfahrer aus dem offenbar grundsätzlich verdächtigen Passau spielt eine Rolle, der bei Tag aussieht wie der kleine Bruder vom Eberhofer, echt wahr), sondern sie wollen auch Hope und Jon Makoni helfen, deren Sohn Noah verschwunden ist.

Hier wollen Menschen endlich ihre Träume an den Start bringen, sogar wenn sie dafür in den Palettenkasten müssen

Den Jungen gibt es offiziell aber gar nicht: Hope (schön streng und wütend: Sheri Hagen) und Jon (Alois Moyo) sind Akademiker, leben aber mit Noah ohne Papiere in Hannover von Putzjobs und Arbeit im Großmarkt, seitdem sie vor Jahren mit einem Touristenvisum aus Simbabwe kamen. Und so wie sie, davon erzählt dieser Film, lebt und organisiert sich eine ganze Community. Eine Duldung, wie Falke sie Jon in Aussicht stellt, will hier keiner: Regisseurin Neelesha Barthel und die Drehbuchautorinnen Julia Drache und Sophia J. Ayissi zeigen Menschen, die rechtelos im Verborgenen feststecken, aber endlich ihre Träume an den Start bringen wollen, wie Noahs Freund Sam sagt - sogar wenn das bedeutet, sich in den luftarmen Palettenkasten eines Schleuser-Lkws zu legen. Denn um die, die hier profitieren, geht es in "Verborgen" auch. Jemand lügt, was Noah betrifft.

Hope (Sheri Hagen) und Jon Makoni (Alois Moyo) leben von Putzjobs und der Arbeit im Großmarkt. Eigentlich sind sie Akademiker. (Foto: O-Young Kwon/NDR)

Die Konstellation ist spannend, der Blick bemerkenswert und das Duo aus Milchmann Falke und dem beharrlichen Jon hat Potenzial. Aber es ist seltsam, nie zeigen die Figuren - auch die Ermittler nicht - irgendetwas, das nicht direkt im Dienst von Handlung und Botschaft steht. Man kann das freundlich Schnörkellosigkeit nennen, oder auch Mechanik. Es fehlen diese Momente zwischen Menschen, die bleiben, wenn der Film vorbei ist.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

Weitere Serienempfehlungen finden Sie hier .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus"The Marvelous Mrs. Maisel" auf Amazon Prime
:Letzte Lacher

Wunderbar pointiert geht die Comedy-Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" in die finale Staffel. Aber dann läuft was schief.

Von Carolin Gasteiger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: