"Tatort" mit Falke und Grosz:"Digga, ich find, du laberst 'n büschen viel"

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Der eine blass, der andere übereifrig: Wotan Wilke Möhring (links) als Thorsten Falke und Arash Marandi als Felix Wacker. (Foto: NDR/Marc Meyerbroeker)

In diesem Fall verschwindet ein Autokraten-Sohn. Aber das hilft leider nicht darüber hinweg, dass Kommissar Falke immer noch sehr blass bleibt.

Von Holger Gertz

Manchmal erzählt der Tatort eine Geschichte aus dem echten Leben weiter, mit neuer Pointe. Kommissar Borowski hat vor Jahren den Fall Barschel noch mal aufgerollt, Batic und Leitmayr waren einem Wiedergänger des libyschen Diktatorensohns Saif al-Arab Gaddafi auf der Spur und rekonstruierten dessen wilde Münchner Jahre. Im NDR-Fall "Tyrannenmord" wird nun wieder Weltpolitisches runtergebrochen. Drehbuchautor Jochen Bitzer wurde zu diesem Abenteuer durch eine Pressemeldung über den nordkoreanischen Potentaten Kim Jong-un inspiriert, der unter falschem Namen in einem Schweizer Internat untergebracht gewesen sein soll. In diesem Tatort verschwindet aus dem Edelinternat der junge Juan, Sohn des Präsidenten von Orinaca, einem mit harten Bandagen regierten Staat aus dem Reich der Fantasie: Orinaca gibt es nicht wirklich, könnte es aber geben. Ungefähr so wie Lummerland.

Was sagt es uns, dass Falke mit Milch und Hüsker-Dü-Shirt nachkoloriert werden muss?

Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) kriegt den jungen Provinzpolizisten Felix Wacker (Arash Marandi) an die Seite gestellt, und der ist so plakativ übereifrig, dass es nervt. "Digga, ich find, du laberst 'n büschen viel", sagt Falke, bekannterweise ein sanftes Raubein. In dieser Folge trinkt Falke mal wieder Milch (Symbol für sanft) und trägt ein Hüsker-Dü-Shirt (Symbol für Raubein). Falke hat seinen Dienst vor knapp zehn Jahre angetreten, und wenn die Figur nach all dieser Zeit noch immer so umständlich nachkoloriert werden muss, ist das ein Zeichen dafür, dass sie erstaunlich blass geblieben ist und nicht zu einer Selbstverständlichkeit gefunden hat.

Viele Durchschnittsfälle musste der Ermittler mit seinen verschiedenen Kolleginnen abarbeiten, und auch diese Folge von Christoph Stark kommt über solides Mittelmaß nicht hinaus, was nicht daran liegt, dass sie konventionell als Whodunit erzählt ist. Die Frage "Wer ist der Mörder?" interessiert schließlich das Publikum. Das Problem sind enorm viele Personen, die einem alle überhaupt nicht nahekommen. Und diese Klischees: Die politischen Entscheidungsträger sind glatt und der Internatsbetreiber stellt sich mit abgegriffenen Sozialkunde-Weisheiten der Schlechtigkeit der Welt entgegen: "Juan kann überhaupt nichts dafür, dass sein Vater ein Diktator ist. Genauso wenig wie das Kind, das als Arbeiterkind auf die Welt kommt." Als der sanfte, harte Falke am Ende zusammenfasst: "Anständige Schulbildung sollten alle kriegen, nicht nur die mit Kohle", ist der pädagogische Zeigefinger schon wieder fast so weit oben wie früher bei Ballauf und Schenk an ihrer Kölner Wurschtbude. Und selbst die haben inzwischen an sich gearbeitet.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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