Eddy Kante ist, wie bei diesem Namen kaum anders zu erwarten, ein Mann mit klaren Prinzipien. "Kein Alkohol", wehrt er das angebotene Glas Sekt ab. "Ich trinke keinen Alkohol." Pause. "Wenn, dann Wodka Apfelsaft."
Alleine für solche präzise eingefangenen Sätze und kleinen Dialoge muss man Soul Kitchen lieben, das offenbar zunächst einmalige Dokuformat, mit dem der NDR "Die Geschichte eines Abends" nachzeichnet.
Vier Gäste und ein Moderator treffen sich in einem Hamburger Ladenlokal, kochen, essen, trinken und unterhalten sich, wie man sich halt so unterhält, wenn man sich gerade frisch kennenlernt.
Beim Erstkontakt sind Menschen ja oft erstaunlich offenherzig, was sich Soul Kitchen schamlos zunutze macht. Es ist keine Talkshow im klassischen Sinne, auch kein Meta-Talk wie Roche & Böhmermann, eher eine Art Demaskierungsball. "Ich will die Welt durch deine Augen sehen", singt eine bedrohliche Männerstimme. Dazu blickt man in die großen grünen Augen von Laura Karasek, Autorin und Tochter-von, die in einem der eingestreuten Porträtelemente freimütig bekennt: "Ich bin eher ein bisschen beleidigt, wenn jemand sagt: Kara-was? Wie schreibt man das?"
Im Hintergrund hängt der berühmte Literaturkritikervater wie eine Statue seiner selbst regungslos im Sofa. Auch auf der Bildebene ist Soul Kitchen großes kleines Fernsehen.
Den Gastgeber gibt der berühmteste Deutsche Österreichs
Neben Kante, dem verstoßenen Bodyguard von Udo Lindenberg, und Karasek trudeln nach und nach noch der Musiker Frank Spilker ("Die Sterne") und Selbstdarstellerin Dolly Buster ein.
Dirk Stermann, als Teil des Kabarettduos Stermann & Grissemann der berühmteste Deutsche Österreichs, begrüßt sie beinahe verlegen. In einem Telefonat gibt er vor, selbst nicht recht zu wissen, was ihn als Gastgeber dieser "Art Kochshow" qualifiziert: "Ob ich mich die Karriereleiter schon so weit runtergebumst habe?"
Gerade diese ausgestellte Ambitionslosigkeit schafft Vertrauen, signalisiert sie seinen Gästen doch: Von mir habt ihr nichts zu befürchten - der Onkel bohrt nicht. Stermann ist kein Interviewer, er stellt einfach ein paar Fragen, alle reden miteinander und auch mal durcheinander, und die Macher aus dem NDR-Doku-Labor "Die Box" picken sich im Schnitt die Rosinen raus - Philosophisches: "Wenn du nicht wächst, stagnierst du und dann gehst du zurück" (Dolly Buster), Befremdliches: "Ich hatte darum gebeten, das nicht zu verwenden. Ich hasse Sardellen" (Laura Karasek), Trauriges: "Im Moment bin ich nicht glücklich, nein" (Eddy Kante), aber auch lustige Momente wie der, in dem Buster sehr, sehr umständlich eine Weinschorle bestellt.
Es war eine kluge Entscheidung der Autoren Lutz Ackermann, Christian von Brockhausen, Fabian Döring und Florian Müller, bei den Gästen auf große Namen zu verzichten - vielleicht fand sich auch schlicht niemand.
Man wäre gern noch länger geblieben
Egal, es ist jedenfalls genau richtig so, denn Talkgäste, die nichts von sich preisgeben oder höchstens sehr selektiv, die immer Herr der Lage bleiben wollen, gibt es im deutschen Fernsehen schon mehr als genug. Soul Kitchen ist keine dieser Dauerwerbesendungen für Promi-Ergüsse. Die einzige Platte, die hier promotet wird, ist eine uralte von Udo Lindenberg, die Laura Karasek aus unerfindlichen Gründen dem Ex-Leibwächter Eddy Kante mitbringen wollte, der unter der Funkstille sehr leidet: "Wahrscheinlich liebe ich den Kacker noch immer."
Das Medium Fernsehen kann einem natürlich viel vorgaukeln, aber man meint, in Situationen wie dieser aufrichtiges Mitleid wie überhaupt aufrichtiges Interesse der Gäste aneinander zu spüren. Nach dem Essen geht es noch weiter in die Kneipe, wo dann eher das Zwiegespräch gesucht wird.
Dort gibt Eddy Kante gleich die Anweisung: "Wir besaufen uns jetzt." Und schon sind die 45 Minuten um. Man wäre gern noch länger geblieben. Welch größeres Kompliment kann man einem Abend machen als dieses? Kann man durchaus wiederholen, lieber NDR.
Soul Kitchen , NDR, Nacht zu Samstag, 0 Uhr.