Habeck und Merz bei Maybrit Illner:"Sie verbeißen sich in eine Ideologie"

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Da ist es schon vorbei mit dem Das-hat-er-doch-nicht-so-gemeint-Blick: Robert Habeck und Friedrich Merz (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Eine halbe Stunde hält der Frieden zwischen Merz und Habeck. Dann geht's ums Geld. Und dem selbsternannten Finanzexperten Merz vergeht das siegesgewisse Triumphlächeln.

TV-Kritik von Marlene Knobloch

Der Abend beginnt vorsichtig, höflich, noch ist offen, ob man sich die Rechnung am Ende teilt. Da sitzen zwei Männer, die beide ein ähnliches Problem und Ziel haben. Die Umfragewerte sind schlecht, Olaf Scholz hat die Kandidaten von Union und den Grünen überholt. Mit Robert Habeck und Friedrich Merz sind zwei verpasste Alternativen zu Gast bei Maybrit Illner, die beide die Bitterkeit über falsche Entscheidungen schlucken und im Magen behalten müssen, während sie Wahlkampf für die Fettnäpfchen-Sommeliers Baerbock und Laschet machen. Doch so viel Mühe sich die zwei anfangs geben - die Titelfrage der Sendung nach dem Beziehungsstatus von Schwarz und Grün "Rivalen, Feinde, Partner?" ist nach nicht mal einer halben Stunde deutlich beantwortet.

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Im bedrückenden Schatten der schrecklichen Ereignisse aus Afghanistan sind sie sich erstmal viel einig. Sätze wie "Robert Habeck hat das, wie ich finde, ganz richtig gesagt" fallen, als der Parteichef der Grünen sagt, der Einsatz sei ein "moralisches Desaster". Selbst bei möglichen Differenzen nimmt Habeck erleichtert jedes Entgegenkommen von Merz an, als es etwa um das von seiner Partei geforderte Lösch-Moratorium rund um den Afghanistan-Einsatz geht: "Gut, dass Herr Merz gesagt hat, dass die Daten nicht gelöscht werden sollen."

Habeck rückt an diesem Abend von Rot weg und damit an Schwarz ran, als die anwesende Chefredakteurin der Welt Dagmar Rosenfeld Habeck fragt, ob er sich immer noch eine Koalition mit der Linkspartei vorstellen kann. Die Partei hatte sich enthalten bei der jüngsten Abstimmung im Bundestag zum Rettungsmandat der Bundeswehr in Afghanistan. Habeck windet sich kurz, gibt dann aber zu: "Das ist nicht regierungsfähig, was die Linkspartei gemacht hat."

Vielleicht halten sich Merz und Habeck deswegen so lange mit liebkosenden Zugeständnissen und Sportmetaphern auf und aus (Habeck: "Momentan liegen wir zwei Tore hinten, aber es sind immer noch vier Wochen"). Dann stört die Moderatorin Illner den Burgfrieden mit der Überleitung zum Wahlkampf und alten Twittergeschichten: "Herr Merz hat gesagt, dass Sie für ihn als Kanzlerkandidat nicht in Frage kommen. Wissen Sie das noch?"

Mit einem Das-hat-er-doch-nicht-so-gemeint-Blick entgegnet Habeck noch sanft: "Ich glaube, dass viele Politiker sich wünschen, mal einen Tweet nicht abgesetzt zu haben."

Doch mit der Harmonie ist es nun bald vorbei. Habeck kann es sich nicht verkneifen, auf Merz' Ausreden wegen des geplanten Grundsatz-Programms seiner Partei, das sie letztes Jahr verabschieden wollten, zu betonen, seine Partei hätte das ja geschafft. Merz kann sich nicht verkneifen, zu betonen, er hätte ja nicht regieren müssen während einer Pandemie, sondern habe in der Opposition ja für alles mögliche Zeit gehabt.

Als der Studiohintergrund wechselt, Geldscheine in den Armen des Bundesadlers auftauchen und Illner zum Thema Wirtschaftspolitik mit dem Satz leitet "Wir befassen uns jetzt einfach mal mit dem Wahlprogramm", dampft die Säure schon aus dem Studioboden.

Habeck überrascht mit einem ausschweifenden Finanzmonolog, während Merz die Hände vor dem Mund verschränkt, hinter denen ein kühles Lächeln neben der Armbanduhr funkelt. Der Grünen-Chef erklärt knapp zwei Minuten lang, wie seine Partei mehr Wachstum schaffen will: "Wir werden Geld in die Hand nehmen müssen, oder es passiert nichts." Er spricht sich für mehr Schulden und eine Investitionsregel aus, die eine Erweiterung der Schuldenbremse darstellen soll.

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Als richtende Finanz-Instanz erscheint Achim Truger, Wirtschaftsweiser der Bundesregierung, auf einem Bildschirm. Der erklärt die ambitionierte Rede Habecks als plausibel, das sei nichts Neues, sondern etwas, was lange Zeit "in den finanzwissenschaftlichen Lehrbüchern stand".

Sich dennoch seines Sieges sicher, löst der sich als Finanzexperte wähnende Merz die verschränkten Finger und die Lächel-Muskeln, um loszulehren: Wo denn das volle Sparbuch des Staates sei, von dem Habeck rede? "Im Übrigen diese Zinsen ...", sagt er und lässt eine kleine Pause, als müsse das Wort noch kurz wirken, "... sind nicht Ausdruck von Wachstumsschwäche." Man hört den Zeigestock auf der Tafel klappern, als er sich auf Sätze von Habeck stürzt und zeitgleich mit der deutschen Wirtschaftspolitik abrechnen will, von Deutschland als Beamtenapparat spricht, von zu viel Bürokratie und dass der Bau der von den Grünen "so geliebten Windräder" ja bis zu sieben Jahre in diesem Land bräuchte. Habeck wendet sich an die Moderatorin: "Darf ich was sagen, Frau Illner?"

Darf er. Er erklärt nochmal das geplante Investitionspaket von jährlich 50 Milliarden Euro und gipfelt in dem shakespearschen Satz: "Nennen Sie uns staatsgläubig. Ich sage: Sie verbeißen sich in einer Ideologie, die nicht mehr zur Wirklichkeit passt."

Außer der Idee, die Unternehmenssteuer zu senken, liefert Merz an diesem Abend wenig konkrete Ansätze, wie die Union das Wirtschaftswachstum in Deutschland fördern will. Die Steuersenkung bezeichnet Habeck als "Schnapsidee", er regt sich auf, dass er hier nicht mal das höre, was er erwartet habe, und "als wäre ich am Unionsparteitag" erklären muss, wie Wachstum funktioniert. Mit so einem energischen Angriff scheint Merz - das deuten die verrutschten Mundwinkel gegen Ende der Sendung an - bei diesem Heimspiel-Thema nicht gerechnet zu haben. Er wehrt sich mit der bekannten Merz-Munition - "Staatsgläubigkeit", "zu wenig Vertrauen in die Privatwirtschaft", "zu teuer" - zielt dabei aber zu ungenau auf den eng umsteckten Plan der Grünen.

Als Dagmar Rosenfeld am Ende daran erinnert, dass es ja sein kann, dass die beiden über diese Themen künftig bei Koalitionsverhandlungen sprechen müssen, hallt ihr Lachen einsam im Studio. Vielleicht erinnert sich Friedrich Merz deswegen nochmal an den harmonischen Anfang des Abends und flicht zum Schluss in seine Antwort ein: "Ich teile diese letzte Einschätzung von Herrn Habeck."

Marlene Knobloch ist streamende Autorin, träumt aber von Fernsehern in Küche und Schlafzimmer. Jeden Sonntag könnte sie dann linear zu den Kommen-Sie-gut-in-die-Woche-Wünschen der Nachtmagazin-Moderatoren mit Tausenden Zuschauern in Deutschland wegdösen. Bis dahin schaut sie beim Kartoffelschälen alte Harald-Schmidt-Folgen auf ihrem Laptop. (Foto: Illustration: Bernd Schifferdecker)
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