Patricia Schlesinger und der RBB:Blick in die Chefetage

Lesezeit: 4 min

Schlesingers Büro in der 13. Etage des Senders. (Foto: RBB)

Das RBB-Fernsehen filmt das Büro von Patricia Schlesinger. Der Sender stellt die Leiterin der Intendanz frei. Und Wolf-Dieter Wolf tritt als Chef des RBB-Verwaltungsrats zurück.

Von Aurelie von Blazekovic und Claudia Tieschky

Die Affäre Schlesinger entfaltet in Berlin eine Wirkung, für die man einen Live-Ticker einrichten könnte: Da ist der bisherige und nun zurückgetretene Chef des RBB-Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf, eine Schlüsselfigur im Zusammenhang mit den Vorwürfen, gegen den inzwischen, wie gegen Schlesinger und ihren Mann Gerhard Spörl, wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme ermittelt wird: Wolf trat am Dienstag als Aufsichtsratschef der Berliner Messe zurück, wie Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz erklärte. Wolf lege das Amt nieder, "um einen möglichen Schaden zu Lasten der Messe Berlin GmbH zu vermeiden und auch die laufenden Untersuchungen nicht zu belasten", hieß es. Am Dienstagabend meldete der RBB, daß Wolf auch als Verwaltungsratschef des Senders zurücktritt - dieses Amt hatte er zunächst nur ruhen lassen. Weitere personelle Konsequenzen: Verena Formen-Mohr, Leiterin der Hauptabteilung Intendanz des RBB, wurde vom Dienst freigestellt, wie ein Sendersprecher bestätigt.

Die Journalisten im RBB, das hört man in vielen Gesprächen, sind seit Tagen fassungslos. Aber die Aufgabe des Journalisten ist es, hinzugehen und nachzufragen. Und im Rundfunk Berlin Brandenburg, das hätte man dieser Tage beinahe vergessen können, arbeitete ja nicht nur eine in einen Wust von Vorwürfen verstrickte, nun zurückgetretene Intendantin. Sondern sehr viele Journalisten und Programmmacher, die Tag für Tag Fernseh-, Radio- und Onlinebeiträge ins Land senden. Für ein Spezial zum Rücktritt von Patricia Schlesinger schickte der RBB also ein Fernsehteam in den hauseigenen Aufzug, wo dann der Knopf mit der 13 gedrückt wurde. Hoch ging es in Schlesingers inzwischen berüchtigte Chefetage an der Berliner Masurenallee.

"Hat es in diesen Räumen, wie die Bild-Zeitung berichtet, tatsächlich Ausgaben für Luxus und Pomp gegeben, auf Kosten des Gebührenzahlers?", fragt der Sprecher aus dem Off. Die Kamera schwenkt über ökologisch hochwertiges Parkett aus Italien, über graue Sitzecken und die automatische Wandbegrünung, und mal wieder gelingt, was der Journalismus mit dem Hinschauen ja oft erreicht: bittere Entzauberung. Kein Gold, kein Elfenbein, höchstens vielleicht gehobene deutsche Büroästhetik. Dass in diese Bürolandschaft investiert wurde, während am Programm des Senders gespart werden musste, ist in vielfacher Hinsicht schrecklich. Und teuer mögen Interieur und Umbau zwar gewesen sein, unter Luxus und Pomp stellt man sich nur wirklich Aufregenderes vor.

Bemerkenswert ist dagegen, mit welcher Ernsthaftigkeit sich Journalisten im RBB um die Vorwürfe im eigenen Haus kümmern. Etwa Moderatorin Sarah Oswald, die in der Abendschau den RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus zu Gast hatte. Kellinghaus erklärte dort, ihm sei in einer Schalte unter RBB-Mitarbeitern am Montag "eine Welle des Unverständnisses, der Wut und der Empörung entgegengeschlagen". Oswald wollte von ihm wissen, was er als Teil der Geschäftsleitung eigentlich mitbekommen habe - und wurde bei seinen halb selbstkritischen, halb ausweichenden Ausführungen dann deutlich: "Es fällt uns nicht leicht, eine Berichterstattung auf die Beine zu stellen, weil diese Transparenz, die Sie versprechen - die gibt's nicht." Und dann noch ein unangenehmer Moment: Kellinghaus musste einräumen - in einem RBB-Fernsehstudio voller Redakteure und Kameraleute, die das direkt betrifft -, dass Patricia Schlesinger auch für das Erreichen von Einsparzielen im Sender Boni erhalten habe.

Die Reihe der angeblich geladenen Gäste wirft immer mehr Fragen auf - aber der RBB hält die Liste bislang unter Verschluss

Schmerzhaft wurde es für die Verteidigungslinie Patricia Schlesingers auch an ganz anderer Stelle. Denn bisher hatte sie darauf bestanden, dass die über den RBB abgerechneten Abendessen mit "Multiplikatoren" in ihrer Privatwohnung dienstlicher Natur waren, sie es für wichtig halte, "für das öffentlich-rechtliche System, Hintergrundgespräche zu führen". Hintergrundgespräche? Davon wusste mindestens ein Gast Schlesingers nichts: Barbara Slowik, Berliner Polizeipräsidentin, ließ einen Sprecher zu einer Einladung am 12. Februar 2022, der sie und ihr Ehemann folgten, nun mitteilen: "Frau Dr. Slowik hat die Information darüber, dass die Kosten für ein Abendessen bei der Familie Schlesinger und Spörl dem RBB in Rechnung gestellt wurden, mit großem Erstaunen und Irritation zur Kenntnis genommen. Es war für sie in keiner Weise ersichtlich, dass dieses Treffen einen beruflichen Hintergrund hatte."

Barbara Slowik und ihr Mann seien von dem "schon seit Längerem privat bekannten Ehepaar Schlesinger und Spörl" vielmehr zur "Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden" eingeladen worden. Auch die Gesprächsinhalte bei dem Abendessen seien rein privater Natur gewesen. "Hätte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet, dass es sich um ein geschäftliches Essen auf Kosten des RBB handelt, hätte Frau Dr. Slowik die Kosten übernommen."

Die Gästelisten für die Abendessen, die Schlesinger selbst nicht öffentlich machen wollte und auch der RBB bislang unter Verschluss hält, werfen auch weitere Fragen auf. Denn Bild und Tagesspiegel veröffentlichten unlängst die Namen einer Reihe angeblich geladener Gäste. Darunter auch den von André Schmitz, SPD-Politiker und ehemaliger Chef der Berliner Senatskanzlei. Schmitz teilt der SZ auf Nachfrage mit: "Ich war nie bei Frau Schlesinger zu einem Abendessen." Der Vorstandsvorsitzende der Charité, Heyo K. Kroemer, dessen Name dort ebenfalls genannt wird, lässt auf Anfrage ausrichten: "Bei dem Termin handelte es sich, basierend auf Art und Inhalt der Einladung sowie dem Verlauf des Abends, um einen privaten Termin". Bettina Reitz, heute Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film in München und früher Fernsehproduzentin sowie BR-Filmchefin, äußert sich weniger eindeutig: Mit Schlesinger verbinde sie seit der gemeinsamen Zeit bei der ARD ein "kollegial-freundschaftliches Verhältnis". Dazu gehörten auch die Treffen. "Aufgrund unserer ähnlichen beruflichen Ausrichtung und dem Ursprung unserer Freundschaft sind unsere Gespräche immer eine Mischung aus beruflichen wie privaten Themen." Sie hoffe, dass die erhobenen Anschuldigungen zeitnah aufgeklärt werden können.

Der RBB muss verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen, die Führungsspitze des Senders muss ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen, das wird ein langer Weg", sagte die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach nach einer Sondersitzung des Gremiums am Montagabend in Berlin. In einer weiteren Sitzung in der kommenden Woche soll es konkret um die Auflösung des Vertrags von Patricia Schlesinger gehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFall Schlesinger
:Öffentlich, rechtlich, verdächtig

Ein beispielloser Fall: Patricia Schlesinger ist nicht mehr ARD-Vorsitzende und RBB-Intendantin - und nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen womöglicher Untreue.

Von Aurelie von Blazekovic und Claudia Tieschky

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: