Programmdiskussion in "ZDF login":Wir geben uns doch Mühe

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Das ZDF-Logo - der Sender stellt sich mit Programmdirektor Himmler zunehmend der heftigen Kritik. (Foto: dpa)

Eine "Ideenvernichtungsmaschine" sei das ZDF, "weder witzig, noch ironisch, noch unterhaltsam": In der interaktiven Sendung "ZDF login" hörte sich Programmdirektor Norbert Himmler einiges an. Allem guten Willen zum Trotz aber dürfte ein Dilemma bleiben.

Von Kathleen Hildebrand

Schon mit dem Format login, in dem die große Programmkritik geschah, gelobte das ZDF Besserung. Junge Menschen saßen da im Studiopublikum (in Berlin und nicht in Mainz), die "User" zu Hause konnten in Echtzeit ihre Fragen stellen, die Gäste waren einmal nicht die allerüblichsten Verdächtigen. Und die Moderatorin sah aus wie Marnie aus Girls, einer der amerikanischen Fernsehserien, die dem ZDF immer wieder mit der Frage vorgehalten werden: "Warum macht ihr so was nicht?"

Auf dem Spartenkanal ZDF Info übte die Senderfamilie des ZDF gestern Abend schmerzhafte Selbstkritik, wie schon einmal an selber Stelle in diesem März. "Lahme Zoten, Wahn um Quoten - Fehlt dem ZDF der Mut?" war diesmal Frage der interaktiven Talkshow und die Diskutanten schonten Programmdirektor Norbert Himmler nicht: Es gebe ein "Klima der Angst, Unsicherheit und des Opportunismus" im ZDF, schimpfte der Kritiker Georg Diez, der Sender sei zu einer "Ideenvernichtungsmaschine" geworden, die Öffentlich-Rechtlichen zu zwei dysfunktionalen Dinosauriern.

Die Zeit des Lagerfeuerfernsehens sei vorbei, sagte Satiriker Oliver Kalkofe: "Wer es allen recht machen will, macht es am Ende niemandem recht." Das Programm des ZDF sei "weder witzig, noch ironisch, noch unterhaltsam" und müsse statt Pomp und Star-Buckelei im Stil von Wetten, dass..? jungen Menschen eine echte Alternative zum debilen Privatfernsehen bieten.

Nur Nils Bokelberg ging etwas sanfter mit dem Programmdirektor um. Er habe da vielleicht "eine nostalgische Brille auf" (ja, hatte er, Marke Ray Ban), aber er möge Wetten, dass..?. An der großen Samstagabendshow kulminierte die Kritik aber immer wieder und Himmler selbst wirkte unzufrieden mit der Entwicklung des Klassikers. Eiswürfel im Schritt wolle er nicht sehen, kommentierte er die gescheiterte Mallorca-Sendung.

So hart sie mit Norbert Himmler ins Gericht gingen - in vielerlei Hinsicht schienen die Herren bei ihm offene Türen einzurennen. "Das haben wir schon vor", sagte er immer wieder, "da gebe ich Ihnen recht" und sogar: "Etwas in der Art von Breaking Bad will ich nächstes Jahr auf meinem Bildschirm haben." Es klang, als seien die heilenden Aufträge bereits vergeben, das Besserungsprogramm angeschoben. Himmler war immerhin derjenige, der ZDF Neo auf den Weg gebracht und als erste Amtshandlung Forsthaus Falkenau und Der Landarzt abgesetzt hat.

Selbst vom Lagerfeuerfernsehen verabschieden

Ein deutsches HBO wird das ZDF aber trotzdem nicht werden. Dazu ist auch der erst 43-jährige Himmler zu sehr auf sein älteres Publikum fixiert, zu bemüht, bloß keine Aufreger ins Hauptprogramm zu holen. Nachmittagsfernsehen? Ist Nebenbei-Fernsehen. Altmodisch-Braves am Abend? Der Durchschnittszuschauer des ZDF ist eben 61 Jahre alt - und 44 Prozent der Deutschen über fünfzig.

Wir wünschen dem ZDF noch 500 Jahre
:Seid umarmt, Senioren

Was lassen sich Fernsehsender alles einfallen, um junges Publikum zu locken. Die peinlichsten Formate werden nur für diesen Zweck entwickelt. Dabei gibt es einen Sender, der alles anders macht - und alles richtig. Nur das ZDF versteht das deutsche Publikum von morgen wirklich: die Generation 60 plus. Erinnerungen und Ausblick auf das Top-TV der Zukunft.

Von Ruth Schneeberger

An seiner Alters-Argumentation wurde klar, was Deutschland und anderen alternden Gesellschaften bevorsteht - nämlich ein ordentlicher Generationenkonflikt auch im Fernsehen. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen sich in Zukunft wegen der demografischen Entwicklung nur noch an den Älteren orientieren, wie sich das ZDF sie traditionell vorstellt - nämlich taktklatschend und Lafer nachkochend, dann haben Kritiker des Fernsehgarten-Fernsehens wenig Chancen, gehört zu werden. Dann wird Innovatives weiter in den Spartenkanälen laufen oder nach elf Uhr abends versendet werden.

Vielleicht müssen sich aber auch die Jüngeren selbst vom Lagerfeuerfernsehen verabschieden. Wenn sich das Hauptprogramm nicht bewegt, dann schalten sie eben nur noch Spartenkanäle oder gezielt die Mediathek ein, die Norbert Himmler lobenswerter Weise ausbauen will. Lassen wir den "Alten", die das ZDF damit zu erfreuen glaubt, ihre Kochsendungen. Solange die Öffentlich-Rechtlichen sich die Mühe geben, die Himmler verspricht, wird man demnächst vielleicht immerhin die Wahl haben.

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